Jahrestag Rostock-Lichtenhagen Bundeskanzler Scholz fordert Einsatz gegen Hetze

Berlin/Rostock · Im August 1992 griffen rechte Gewalttäter in Rostock vier Tage lang Ausländerunterkünfte an. Bis heute verbindet sich Entsetzen mit der Tat. Der Bundeskanzler richtet eine Mahnung ans Land.

Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992: Ein Ort der Gewalt
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Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992: Ein Ort der Gewalt

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Zum 30. Jahrestag der rassistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Bürger aufgefordert, jeden Tag gegen Hetze und Rassismus zu kämpfen. Die damaligen Angriffe nannte der SPD-Politiker am Montag eine „schreckliche Tat“. Aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist Rechtsextremismus heute die größte Gefahr für die Demokratie. Auch Grüne und Linke mahnten, die Erinnerung wach zu halten.

Im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen hatten vom 22. bis 26. August 1992 rechte Gewalttäter das sogenannte Sonnenblumenhaus attackiert, in dem die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber sowie vietnamesische Vertragsarbeiter untergebracht waren. Steine und Brandsätze wurden geworfen, rassistische Parolen gebrüllt, die Feuerwehr behindert. Vor einem Brand konnten sich Bewohner nur mit in Sicherheit bringen. Der Polizei gelang es nicht, die Ausschreitungen zu stoppen.

Innenministerin Faeser erklärte, dies gehöre zu den schlimmsten rassistischen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Es ist bis heute erschütternd, dass kaum einer gegen den Mob einschritt.“ Viele Schaulustige hätten sogar applaudiert und die Angreifer angestachelt. „Der in Rostock-Lichtenhagen aufgeflammte rechtsextremistische Menschenhass wurde zum Fanal, ebenso wie das zögerliche und halbherzige Verhalten der Sicherheitskräfte und die zu geringe Empathie in Politik und Gesellschaft.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese nannte die Ausschreitungen einen Tiefpunkt der politischen Kultur. „Wenn Rostock-Lichtenhagen uns eines lehrt, dann dies: Wir dürfen uns nicht spalten lassen“, sagte Wiese in Berlin. „Zusammenhalt und Solidarität sind die wichtigsten Güter unseres Zusammenlebens.“

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erinnerte daran, dass die damaligen rassistischen Ausschreitungen Auslöser einer ganzen Kette „ausländerfeindlicher Gewaltexzesse“ gewesen seien. „Wir müssen und sollten die Erinnerung auch an dieses dunkle Kapitel deutscher Gegenwart wachhalten.“ Dazu gehörten Orte des Gedenkens ebenso wie wissenschaftliche Einrichtungen zur Dokumentation und Aufarbeitung des Rechtsterrorismus.

Linken-Chefin Janine Wissler sagte, die Vorfälle stünden für ein dramatisches Versagen des Staates. Sie nannte den erfolglosen Polizeieinsatz, aber auch die vergleichsweise milden Strafen für die wenigen verurteilten Täter. Wissler erinnerte daran, dass es damals eine aufgeheizte Debatte über das Asylrecht gegeben habe. Dieses wurde wenige Monate später im sogenannten Asylkompromiss der Regierung Helmut Kohl mit der SPD verschärft.

(albu/dpa)
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