Debatte über Buschkowsky-Buch Ist Neukölln wirklich überall?

Berlin · Der Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hat mit seinem Buch "Neukölln ist überall" eine neue Debatte über Minderheiten und Integration ausgelöst. Kritiker von Grünen und FDP werfen dem SPD-Politiker grobe Verallgemeinerungen vor. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hingegen lobt das Buch.

Das ist Heinz Buschkowsky (SPD)
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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rügte, Buschkowsky gebe in seinem Buch nicht immer die richtigen Antworten. Grünen-Chef Cem Özdemir störte sich an Buschkowskys Formulierungen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gab dem Kommunalpolitiker dagegen Recht. Auch Berlins Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) meldete sich zu Wort.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der Zeitung "Welt am Sonntag", die von Buschkowsky beschriebenen Verhältnisse ließen sich nicht eins zu eins auf ganz Deutschland projizieren. "Er stellt die richtigen Fragen, auch wenn er für die Antworten gelegentlich den großen Pinsel benutzt", sagte sie.

Das Beherrschen der deutschen Sprache sei Schlüssel zu einer gelungenen Integration. "Warum haben wir nicht bundesweit Sprachstandsfeststellungen im Alter von vier Jahren sowie, bei mangelhaften Kenntnissen, den Besuch von Sprachkursen für Kinder?", fragte sie. "Integration bedeutet nicht Assimilierung. Entscheidend ist die Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben."

Der Grünen-Vorsitzende Özdemir warf Buschkowsky vor, in der Sprache des Boulevards zu formulieren. "Hier finden sich die üblichen Verallgemeinerungen, die Geschichten über die angeblich gescheiterte Integration, die übliche Abrechnung mit der multikulturellen Gesellschaft", kritisierte er. Buschkowsky sei für die Zustände, die dieser in Neukölln kritisiere, auch selbst verantwortlich. "Buschkowsky ist immerhin seit über zehn Jahren Bezirksbürgermeister mit einigem Einfluss in der ebenfalls seit über zehn Jahren in Berlin regierenden SPD", sagte Özdemir dem Blatt.

Ministerin fordert von Jugendlichen mehr Aufstiegswillen

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte, Schuld an den Neuköllner Zuständen seien nicht allein der Staat oder die Gesellschaft. "Diese Jugendlichen müssen auch aufsteigen wollen und müssen erkennen, dass sie dafür was tun müssen", sagte sie der Zeitung. Zu einem funktionierenden Miteinander gehöre zudem Respekt. "Gegenseitiger Respekt verlangt, dass wir auch unsere eigenen Werte klar und deutlich vertreten und die Grenzen dessen aufzeigen, was wir respektieren. Drunter geht es nicht", sagte Schröder.

Niedersachsens Innenminister Schünemann stimmte Buschkowsky uneingeschränkt zu. Was dieser an Missständen beschreibe, sei bittere Realität in Teilen deutscher Ballungszentren und Großstädte. "Das geht so weit, wie Buschkowsky beschreibt, dass in bestimmten Vierteln ethnisch-religiöse Regeln staatliche Normen verdrängen.
Daraus kann ein gefährlicher Nährboden für Kriminalität und Radikalisierung entstehen", sagte Schünemann dem Blatt. "Wir müssen uns ohne Scheuklappen damit auseinandersetzen. Denn es geht um den inneren Frieden in unserem Land."

Sarrazin schwingt seine Demografie-Keule

Auch Thilo Sarrazin meldete sich zu Wort. "Natürlich ist Neukölln in Deutschland überall, das sehe ich ja jetzt auf meinen Reisen durch Deutschland", sagte er der Zeitung. "Die Neuköllns in dieser Republik werden immer größer und werden irgendwann zusammenwachsen." Buschkowsky unterschätze jedoch die Wucht der demografischen Entwicklung und das Tempo, mit der sich die Anteile bei den Geburten und in der Schülerbevölkerung verschöben.

Sarrazin hatte vor zwei Jahren in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" beklagt, der Geburtenrückgang bei Deutschen und die verstärkter Zuwanderung aus überwiegend muslimischen Ländern führe zu "qualitativen Veränderungen" in der Zusammensetzung der Bevölkerung. Er appellierte damals an einen "gesunden Selbstbehauptungswillen als Nation".

(APD)
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