Windrad verliert Flügel Ist ein Konstruktionsfehler Schuld?

Weeze (RP). In Weeze-Wemb ist der Flügel einer Windkraftanlage abgebrochen. Experten vermuten einen Konstruktionsfehler. Bei einer Windmühle desselben Herstellers in Wachtendonk löste sich 2007 ebenfalls ein Flügelstück. Sind Windräder ein Sicherheitsrisiko?

Bei dem abgebrochenen Flügel eines Windrades in Weeze-Wemb könnte die Ursache auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen sein. Diese Vermutung äußerte ein gut unterrichteter Experte gegenüber unserer Zeitung. Das 33 Meter lange und mehrere Tonnen schwere Flügelstück war aus 100 Meter Höhe in ein Maisfeld geschlagen. Verletzt wurde niemand. Hersteller der Windkraftanlage ist die Firma Nordex. Erst vor einem Jahr war an einem von Nordex gebauten Windrad in Wachtendonk ein großes Flügelstück abgebrochen. "Die Hersteller stehen unter Druck", so der Experte, "durch die hohe Nachfrage ergeben sich lange Lieferzeiten. Deshalb wird manchmal am falschen Ende gespart."

Bei Nordex wehrt man sich gegen Unterstellungen. "Nach zwei Fällen kann man nicht von einem Serienschaden sprechen", so Pressesprecher Ralf Peters. Noch sei die genaue Schadensursache nicht bekannt, man müsse das Urteil des unabhängigen Gutachters abwarten. Peters: "Vorläufig haben wir alle Anlagen im Umfeld stillgelegt. Sollte es sich tatsächlich um einen Konstruktionsfehler handeln, werden wir alle baugleichen Windmühlen überprüfen und die Blätter austauschen." Bei dem Vorfall vor einem Jahr habe man nichts feststellen können, was auf konstruktionsbedingte Probleme hindeute.

Gerda Küppen betreibt ganz in der Nähe des kleinen Wember Windparks eine Gaststätte, die den niederländischen Namen "Lieven Heer" trägt. Trotz des Unfalls in der Nachbarschaft bleibt die Wirtin ganz gelassen: "Ach was, der Flügel ist ja direkt neben der Mühle gelandet. Ich hab' noch nie gehört, dass jemandem so ein Teil um die Ohren geflogen wäre." Was auch daran liegt, dass die Flügel zu schwer sind, und weder durch Wind noch durch die Rotation weggeschleudert werden können. Dazu kommt, dass sich die Rotoren normalerweise automatisch abschalten, wenn eine Unwucht auftritt, so Jochen Ahn von der Firma ABO Wind, die das Rad in Wemb technisch betreut.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Dirk Jasper, Managing Director im "Gut Weidendonk", erlebte aus rund 200 Meter Distanz mit, wie das Windrad in Wachtendonk seinen Flügel verlor. "Es gab einen Knall wie bei einem Schuss ­ und danach drehte sich das Ding trotzdem weiter." Jasper dokumentierte den Unfall sogar auf Video. Über die Ursache des Bruchs wurde er nie informiert. Die havarierte Windmühle erhielt neue Flügel. Seitdem läuft sie störungsfrei.

Dies sei auch die Regel, so Windrad-Fachmann Ahn. Rund 20\x0e000 Windkraftanlagen gibt es bundesweit, pro Jahr höre man etwa von ein bis zwei Fällen, in denen ein Flügelbruch auftrete. Andere Experten vermuten, dass sich die Zahl dieser Unfälle erhöhen könnte. So werde in der Produktion der Flügel oft unsauber gearbeitet, die einzelnen Teile seien nicht gut genug verklebt, und man müsse oft auf die flexible Carbonfaser als Baustoff verzichten, weil die Flugzeughersteller den Markt leerkaufen würden. Für die Sicherheit der Anlagen sind Betreiber und Hersteller zuständig. Ahn: "Einmal im Monat kontrollieren wir die Mühle von außen auf Risse, alle drei Monate gehen wir auf die Anlage. Alle zwei Jahre kommt ein Gutachter."

Im Fall des Windrades von Wemb kommt Materialermüdung kaum in Frage ­ die Mühle läuft erst seit einem Jahr. Grund genug für den Kreis Kleve, auf eine lückenlose Aufklärung des Falls zu drängen. Der Kreis entscheidet zwar über die baurechtliche Freigabe für eine Windkraftanlage, die Sicherheit liegt jedoch allein in den Händen von Betreiber und Hersteller. Kreis-Sprecher Eduard Großkämper setzt darauf, dass sich diese verantwortungsbewusst verhalten. "Bei einem Konstruktionsfehler kann das nicht anders sein als bei einem Autohersteller, der einen Mangel entdeckt. Alle Anlagen müssen stillgelegt und die Mängel behoben werden. Andernfalls könnte das schlimme Folgen haben." In Kerken etwa steht ein Windrad direkt an Bahntrasse und Bundesstraße.

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