Verhinderte Veröffentlichung der Reichelt-Recherchen Ippen-Chefredakteur bittet Betroffene um Entschuldigung

München · Ein Verlag verhindert die Veröffentlichung brisanter Recherchen zu Deutschlands mächtigstem Medienmacher, die sein Investigativ-Team über Monate angestellt hatte – das hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Nun wandte sich der Chefredakteur öffentlich an die betroffenen Frauen.

 Ippen-Chefredakteur Markus Knall.

Ippen-Chefredakteur Markus Knall.

Foto: dpa/StefanWeberPhotoArt

Der Chefredakteur des Medienkonzerns Ippen, Markus Knall, hat Quellen und Betroffene für die Nichtveröffentlichung von eigenen Recherchen zum bisherigen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt um Entschuldigung gebeten. Knall schrieb am Mittwoch in einem Statement in eigener Sache, das auf dem zur Ippen-Gruppe gehörenden Portal des „Münchner Merkur“ veröffentlicht wurde: „Zahlreiche Frauen haben sich im Zuge der Recherche zum Fall Julian Reichelt an unsere Redaktion gewandt und den Mut gefasst, uns ihre Geschichte zu erzählen. Wir haben zugesagt, unter Wahrung der Anonymität, über ihre persönlichen Schicksale zu berichten. Dieses Versprechen konnten wir nicht einlösen. Das bedauere ich zutiefst.“

Knall schrieb in dem Statement auch: „Weil wir den ursprünglich zugesagten Beitrag kurzfristig nicht veröffentlicht haben, wurden wir dem Vertrauen, das in uns gesetzt wurde, nicht gerecht. Hierfür bitte ich die Betroffenen um Entschuldigung.“

Über Monate hatte ein Investigativ-Team bei Ippen zu früheren Vorwürfen gegen den „Bild“-Chefredakteur Reichelt recherchiert. Die Rechercheergebnisse sollten eigentlich vor Tagen erscheinen. Auf Einwirken des Verlegers Dirk Ippen entschied sich das Medienhaus gegen eine Erstveröffentlichung. Als Begründung hatte es unter anderem geheißen: „Als Mediengruppe, die im direkten Wettbewerb mit "Bild" steht, müssen wir sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden.“ Die Ippen-Gruppe publiziert in München die Boulevardzeitung „TZ“.

In der „New York Times“ erschien am Sonntag ein Online-Bericht zu Reichelt und Springer, in dem es auch um die verhinderte Berichterstattung bei Ippen ging. Das Ganze löste intern bei Ippen wie extern große Kritik aus. In der Zwischenzeit erschienen Teile der Ippen-Recherche in einem Online-Bericht des „Spiegel“.

Am Montag hatte der Medienkonzern Axel Springer nach Presserecherchen „Bild“-Chefredakteur Reichelt von seinen Aufgaben entbunden. In einem früheren internen Verfahren gegen ihn im Frühjahr war man zu dem Ergebnis gelangt, ihm eine zweite Chance zu geben. Damals standen nach Springer-Angaben im Kern der Untersuchung Vorwürfe des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen sowie Drogenkonsum am Arbeitsplatz.

Den Schritt am Montag, Reichelt von seinen Aufgaben zu entbinden, begründete der Medienkonzern so: „Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat.“

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort