Überschwemmungen in Deutschland Aufatmen in Goslar — Anspannung in Braunschweig

Hildesheim/Goslar · Der Dauerregen zieht nach Osten ab. Für die Einsatzkräfte in Niedersachsen gibt es dennoch eine Menge zu tun. In einigen Orten beginnt langsam das Aufräumen. Doch in Teilen von Niedersachsen bleibt die Lage angespannt.

Nachdem heftige Regenfälle vor allem Regionen in dem Mittelgebirge unter Wasser gesetzt hatten, verbesserte sich die Lage am Donnerstag in Städten wie Goslar langsam. Stattdessen verlagerte sich das Problem hoher Wasserstände in andere Gebiete, darunter das niedersächsische Hildesheim und Braunschweig. Doch auch in Sachsen-Anhalt kämpften die Menschen weiter gegen die Folgen des Dauerregens.

Es gebe Wassereinbrüche, das Grundwasser steige, und die Kanäle seien randvoll, sagte ein Feuerwehrsprecher am Donnerstag in Hildesheim.
Dazu laufe das Wasser an einer Stelle über einen Deich in den Stadtteil Itzum. "Dort war zuvor nichts absehbar, jetzt ist dort Land unter", sagte der Sprecher.

"Der Ort läuft voll"

Während sich die Lage im niedersächsischen Goslar langsam entspannte - der Landkreis hob in der Nacht seinen am Mittwoch ausgerufenen Katastrophenalarm wieder auf -, spitzte sich die Lage in der Harz-Gemeinde Harsleben in Sachsen-Anhalt zu.

Hochwasser in Hildesheim: Fluss Innerste erreicht Rekordpegel
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Fluss Innerste in Hildesheim erreicht Rekordpegel

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Foto: dpa, sis vge

"Der Ort läuft voll", sagte der Leiter der Einsatzstelle beim Landkreis Harz, Kai-Uwe Lohse. In dem Ort nahe Halberstadt trat der sonst harmlose Goldbach über die Ufer. "Hier läuft das Wasser zusammen, das die letzten Tage bei uns von den Bergen runtergekommen ist." Auch das wenige Kilometer entfernte Langenstein kämpfte gegen die Fluten des übergelaufenen Goldbachs. In der Unstrut wurden ebenfalls deutlich erhöhte Wasserstände registriert. Und ein gefährdeter Damm nahe dem Wernigeröder Ortsteil Silstedt sollte mit riesigen, mit Erde gefüllten Kunststoffsäcke abgedichtet werden.

Von einer seit Dienstag an dem Hochwasser-Fluss Holtemme vermissten Seniorin fehlt weiter jede Spur. Nach der 69-Jährigen aus Wernigerode werde weiter gesucht, hieß es am Donnerstag. Die Frau wohnt direkt neben der Holtemme. Die Polizei schließt nicht aus, dass die Frau in den Fluss gefallen ist.

Probleme bei der Zillierbachtalsperre

Nach 48 Stunden prasselnden Dauerregens beruhigte sich die Lage in der Nacht zu Donnerstag ansonsten im Harz etwas. Das Schlimmste liegt wohl hinter den Einsatzkräften. An den meisten Flüssen und Bächen entspannte sich die Situation mittlerweile etwas; in einigen Orten begannen schon erste Aufräumarbeiten. Für die kommenden Tage erwarten die Meteorologen keine weiteren schweren Regenfälle.

Aus der Zillierbachtalsperre oberhalb von Wernigerode wird nach Einschätzung des Talsperrenbetriebs noch tagelang Wasser überlaufen - allerdings nicht in gefährlichem Ausmaß. In den zurückliegenden Tagen habe die Talsperre 700.000 Kubikmeter Wasser aufgenommen.

Die Feuerwehr in Braunschweig warnte trotz steigender Wasserstände vor Panikmache. Eine Sprecherin bezeichnete die Lage in der Hochwasserregion am Mittag als "relativ ruhig". Es rolle keine Flutwelle auf Braunschweig zu, sagte Stadtsprecherin Lisa Bertram.

Die Bauern machen sich Sorgen

Sie rechne nicht damit, dass Stadtteile überflutet werden. In ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten werde es aber Überflutungen geben, teilte die Feuerwehr mit. Die Pegelstände stiegen langsam an, gegen 18 Uhr wurden die Höchststände einiger Flüsse erwartet. Am Morgen hatte ein Feuerwehrsprecher noch erwartet, es würden einige Stadtteile überschwemmt.

Nach den Überflutungen stehen vielerorts die ersten Aufräumarbeiten an. "Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte der Oberbürgermeister von Wernigerode, Peter Gaffert. Wie hoch die Schäden sein werden, ist noch unklar. Goslars Oberbürgermeister Oliver Junk hatte am Mittwoch von Kosten in Millionenhöhe für Sanierung und Renovierung gesprochen.

Der Deutsche Bauernverband sorgt sich wegen des heftigen Regens um die Ernte. "Durch den Dauerregen kommt es zu Qualitätsschäden, und es droht auch zu einem Mengenproblem zu werden", sagte Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, der "Passauer Neuen Presse". Die Ernte habe bereits bis auf Weiteres abgebrochen werden müssen. Laut dem Landesbauernverband in Sachsen-Anhalt befürchten Landwirte dort, dass die Getreideernte verschimmelt, falls die Feuchtigkeit anhält.

Nach dem vielen Regen der vergangenen Tage wird es in Deutschland nun zumindest etwas trockener und auch wieder wärmer. Grund dafür ist, dass das Tief "Alfred" weiter nach Osten zieht. "Die Dauerregensituation, unter der Deutschland schon seit Tagen leidet, neigt sich dem Ende entgegen", sagte Meteorologe Martin Jonas vom Deutschen Wetterdienst. Der DWD hatte am Donnerstagmorgen alle bestehenden Unwetterwarnungen vor ergiebigem Dauerregen aufgehoben.

Jörg Kachelmann findet den zurzeit regenreichen Sommer durchaus normal. "Es ist normal, insofern, dass der Sommer natürlich nie normal ist, nämlich genau im Durchschnitt", sagte der Wetterunternehmer im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Juni und auch weite Teile des Julis seien in weiten Teilen Deutschlands bei Temperaturen und Sonnenscheindauer deutlich überdurchschnittlich gewesen. "Die groteske Wahrnehmung bei vielen Menschen im Lande ist, dass es normal wäre, wenn es jetzt wochenlang Sonne und Hitze gäbe." Doch Juni und Juli seien "in Deutschland die Monate mit dem meisten Regen im Durchschnitt".

Nach dem Ende des Dauerregens in Bayern entspannte sich auch dort die Lage vielerorts. An kleineren Flüssen fielen die Pegelstände schon wieder, teilte der Hochwassernachrichtendienst mit. Vor allem der Stand der Donau werde aber im Raum Donauwörth und weiter flussabwärts noch steigen.

Die regengeplagte Hauptstadtregion kann ebenfalls vorerst aufatmen:
In den nächsten Tagen soll es keinen Dauerregen mehr geben. Das teilte der Deutsche Wetterdienst in Potsdam mit. Vereinzelt könne es aber trotzdem in Brandenburg und Berlin zu Schauern und Gewittern kommen. Nach dem Dauerregen der vergangenen Tage beruhigte sich auch in weiten Teilen Thüringens die Situation.

(beaw/dpa)
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