Der Tag nach dem Amok In Erfurt brechen alte Wunden wieder auf

Erfurt (RPO). Nach dem Amoklauf in Winnenden herrscht auch am Erfurter Gutenberg-Gymnasium große Betroffenheit und Trauer. Die Schüler und Lehrer der Schule, an der vor sieben Jahren ein ehemaliger Schüler ein Blutbad mit 17 Toten anrichtete, wurden am Donnerstag mit brennenden Kerzen und einem Kondolenzbuch empfangen. Normaler Unterricht sollte an dem Tag nicht stattfinden, stattdessen sollte über den Amoklauf gesprochen werden.

Winnenden trauert nach dem Amoklauf
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Stiller als sonst betraten die Jungen und Mädchen ihre Klassenräume. Einige von ihnen schrieben schnell einige Worte in das Trauerbuch. "Wir denken an euch", "Wir sind tief betroffen" stand dort unter anderem. "Wir werden über den Amoklauf sprechen", sagte Schuldirektorin Christiane Alt. Die Bestürzung sei groß. An der Schule gebe es interne Netzwerke für Gesprächskreise. Bei Bedarf können Psychologen an die Schule kommen. Bislang habe sie den schulpsychologischen Dienst aber nicht anrufen müssen.

Die meisten der damals betroffenen Gutenberg-Schüler haben die Schule inzwischen verlassen und studieren in anderen Städten. Diejenigen, die in diesem Frühjahr ihr Abitur ablegen, waren beim Amoklauf vor sieben Jahren die jüngsten Schüler an der Schule. Ausgerechnet an diesem Donnerstag müssen sie eine fünfstündige Klausur schreiben. Wer sich dazu nicht imstande sieht, für den werde eine Lösung gefunden, sagt die Direktorin. Das gelte auch für die Lehrer, die nicht unterrichten können.

Fast die Hälfte der Schüler und Lehrer traumatisiert

Am 26. April 2002 hatte ein 19-jähriger ehemaliger Schüler des Gutenberg-Gymnasiums binnen zehn Minuten 16 Menschen und sich selbst getötet. Er erschoss zwölf Lehrer, die Schulsekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten. Nach dem Amoklauf galten fast die Hälfte der mehr als 600 Schüler und Lehrer als traumatisiert. Ein Jahr danach waren die meisten von ihnen noch in Therapie. Einige Schüler und Lehrer werden auch heute noch ärztlich betreut.

Die Betroffenen von Winnenden brauchen nach den Worten der Erfurter Schuldirektorin Zeit, um das Unglaubliche akzeptieren zu können, sowie Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten. Notwendig sei auch "Schutz vor Voyeurismus, Neugier und erdrückender Hilfe". Die Schule könne das Unglück nur verarbeiten, wenn sie das Gedenken zum Teil der Schulkultur mache.

(AP)
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