Personalmangel der Dienstleister „Bedienung, bitte!“

Nürnberg · Die Pandemie hat Deutschlands Dienstleistungsszene flächendeckend verändert: Lokale, Serviceschalter und Praxen blieben zu - das Personal suchte sein Heil woanders. Jetzt fehlen Wirten, Autovermieter und Reisebüros die Leute.

 Im Dienstleistungssektor herrscht ein großer Personalmangel, Wirte, Autovermieter und Reisebüros suchen Hände ringend Leute.

Im Dienstleistungssektor herrscht ein großer Personalmangel, Wirte, Autovermieter und Reisebüros suchen Hände ringend Leute.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

So drastisch wie bei der Leipziger Szene-Bar Kowalski kam es selten: Das Café musste vor ein paar Tagen für immer schließen, weil es keine Leute mehr für den Service bekam. Doch auch wenn es nicht überall gleich zur Schließung kommt: Tausende Dienstleister zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen plagt das gleiche Personalproblem. Weniger Öffnungszeiten, mehr Ruhetage und ausgedünnte Speisekarten sind die Folge. In der Pandemie verloren gegangenes Personal kommt nur schleppend in die Branche zurück, wo in einigen Bereichen oft lang gearbeitet werden muss, aber schon fast traditionell nicht gerade üppig bezahlt wird.

Susanne Droux vom bayerischen Landesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) kennt das Phänomen. In Bayern seien zwölf Prozent der Festangestellten in der Gastronomie während der Pandemie von der Fahne gegangen, sagt sie. Bei den Minijobbern liege der Anteil derer, die die Branche verließen, sogar bei über 50 Prozent. „Die Leute sind dorthin gegangen, wo sie gebraucht wurden - zum Beispiel in die Gesundheitsämter oder Corona-Testzentren.“ Hinzukämen weitere Verwerfungen: Studenten stünden etwa kaum noch zur Verfügung, weil sie häufig mangels Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen nicht mehr an ihren Studienorten lebten, sondern wieder bei ihren Eltern.

Andere Branchen, die von der Pandemie besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren, haben ähnliche Probleme. Berichte häufen sich, wonach Autovermieter nicht mehr genügend Personal bereitstellen können. „Unsere Service-Zeiten mussten wir bisher nicht reduzieren. Allerdings arbeiten wir mit allen Kräften daran, unseren Personalbestand in allen Bereichen der erhöhten Nachfrage anzupassen“, heißt es etwa von Sixt in Pullach bei München.

Die Bundesagentur für Arbeit drückt das Problem in Zahlen aus. Demnach hat sich die Zahl der zu besetzenden Stellen in der Gastronomie seit April praktisch verdoppelt. Im August hätten Gastwirte deutschlandweit 20 686 offene Stellen gemeldet, Hoteliers weitere 7678 offene Stellen. Im April hatte die Zahl in der Gastronomie noch bei 10 977 und bei 4138 in den Hotels gelegen.

Gleichzeitig sei die Zahl der Arbeitslosen in der Branche deutlich gesunken - binnen eines Jahres von 72 397 im August 2020 auf 54 658 im August 2021 in der Gastronomie. Bei den Hotels verringerte sich die Zahl im selben Zeitraum von 35 258 auf 28 545. Besonders drastisch ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt: Knapp 17 000 betrieblichen Ausbildungsplätzen in Hotellerie und Gastronomie stehen 5409 Bewerber (Vorjahr: 7276) gegenüber.

Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) führt den Personalmangel auch auf ein schlechtes Image der Branche bei Beschäftigten zurück. „Ursache sind niedrige Löhne, unbezahlte Überstunden, keine verlässlichen Arbeitszeiten, schlechte Ausbildungsqualität, Flucht aus Tarifverträgen“, urteilt die Gewerkschaft. „Derzeit sind nur rund ein Drittel der Unternehmen tarifgebunden und zahlen dann meist nur den gesetzlichen Mindestlohn“, sagt ein Sprecher.

„Viele Minijobbende wurden einfach auf die Straße gesetzt - bei anderen reichte das Kurzarbeitergeld hinten und vorne nicht aus. Kein Wunder, dass sich nun viele umorientieren“, beklagt Susanne Ferschl, Bundestagsabgeordnete der Linken. „Statt weiterhin flächendeckend auf Minijobs zu setzen, muss die Branche wieder Festanstellung in guten Jobs sowie tarifliche Bezahlung bieten“, fordert sie. „Beim Setzen auf ein weiter so ist der Fachkräftemangel hausgemacht.“

Das sieht die Branche selbst nicht wesentlich anders - allerdings aus einem anderen Blickwinkel. „Wer seine Leute gut behandelt, der kann sie auch halten“, sagt Susanne Droux vom Dehoga in Bayern. Zahlreiche Wirte hätten mit Prämien und Sonderzahlungen ihr Personal während der Krise bei der Stange gehalten - und damit Erfolg gehabt. Inzwischen werde auch an den Arbeitsbedingungen gedreht - zwei Ruhetage in der Woche, wo es vorher gar keinen gegeben habe, seien keine Seltenheit mehr, sagt Droux. Diese Planbarkeit der Freizeit komme bei den Belegschaften sehr gut an. Zahlreiche Mitarbeiter, die sich vorübergehend abgewendet hätten - kämen zurück. Nicht zuletzt auch wegen der Aussicht auf Trinkgelder.

Den Umsätzen tue das nicht einmal großen Abbruch. „Wir arbeiten in einer unendlichen Wachstumsbranche“, sagt sie. Der Drang zum Ausgehen, zum Treffen anderer Menschen in ungezwungener Umgebung sei so groß wie nie. Die Lokale seien an den Tagen, an denen sie geöffnet seien, umso besser besucht. In den Bars in Berlin etwa ist schon von einem Revival der wilden 20er Jahre die Rede.

(lils/dpa)
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