Bürgerinitiativen Immer mehr Widerstand gegen geplante Stromautobahn Ultranet

Urbar · Von Osterath aus soll die Stromautobahn bis Philippsburg führen. Doch immer mehr Gegner melden sich. Tausende Anwohner befürchten eine Gefahr für die Gesundheit.

 Auf der Trasse in Urbar sollen erstmals zusätzlich zu den vorhandenen Wechselstromleitungen Gleichstromleitungen der geplanten Stromautobahn Ultranet montiert werden. (Symbolfoto)

Auf der Trasse in Urbar sollen erstmals zusätzlich zu den vorhandenen Wechselstromleitungen Gleichstromleitungen der geplanten Stromautobahn Ultranet montiert werden. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Thomas Frey

Gegen die geplante Stromautobahn Ultranet formiert sich zunehmend Widerstand bis hin zu Androhungen von Klagen. Sie soll auf 340 Kilometern von Osterath in Nordrhein-Westfalen durch Rheinland-Pfalz und Hessen bis Philippsburg in Baden-Württemberg führen. Ultranet soll nach Auskunft des Netzbetreibers Amprion 2023 in Betrieb gehen - mit Kosten von einer Milliarde Euro. Erstmals in Deutschland sollen dabei im Zuge der Energiewende an einer schon bestehenden Höchstspannungsleitung mit Wechselstrom zusätzlich Kabel für Gleichstrom montiert werden.

Laut dem Aktionsbündnis Ultranet, in dem sich 18 Bürgerinitiativen gegen die hybride Stromautobahn zusammengeschlossen haben, befürchten tausende Anwohner gesundheitsgefährdende Wechselwirkungen. Bürgerinitiativen in Hessen berufen sich auf Berichte und Gutachten für den Bundestag oder die Bundesnetzagentur: Demnach werde vor Kopfschmerzen, Alzheimer und Krebs sowie Störungen von Herzschrittmachern gewarnt. Das Aktionsbündnis fordert bei Wohngebieten eine Erdverkabelung der neuen Gleichstromleitung oder weiter entfernte Alternativtrassen - und droht: „Wir beschreiten den Klageweg, wenn unseren Forderungen nicht nachgegeben wird“.

Die Bundesnetzagentur sowie die Netzbetreiber Amprion und TransnetBW verneinen gesundheitliche Gefahren: Auch bei einer Hybridleitung müssten die Grenzwerte für elektrische und magnetische Felder eingehalten werden. Zwar könne es technische Wechselwirkungen geben. Mit Blick auf den Strahlenschutz hätten Gleich- und Wechselstrom an denselben Masten jedoch wenig miteinander zu tun. Das Aktionsbündnis Ultranet sorgt sich nach eigenen Angaben indes nicht um elektrische Strahlen, sondern um mögliche gesundheitliche Gefahren durch sogenannte Korona-Ionen, „für die es eben keine Grenzwerte gibt“.

Die Bundesnetzagentur verweist auch auf eine 2,5 Kilometer lange Hybrid-Teststrecke beim nordrhein-westfälischen Datteln: Hier hätten sich in Studien keine Hinweise auf zusätzliche Auswirkungen auf den menschlichen Körper ergeben. Zudem werde etwa in Skandinavien schon seit 1965 die sogenannte Kontiskan teils als Hybridleitung betrieben.

Franziska Hennerkes wischt dies vom Tisch. Sie ist die Sprecherin des Aktionsbündnisses Ultranet, in dem sich 18 Bürgerinitiativen gegen die hybride Stromautobahn zusammengeschlossen haben. „Das stimmt nicht. Es gibt im Höchstspannungsbereich weltweit keine Hybridleitungen. Wir haben das recherchiert. In Schweden sind es zwei Leitungen mit eigenen Masten nebeneinander.“ Hennerkes fordert nahe Häusern eine Erdverkabelung wie bei Südlink und Südost-Link: „Bei Gleichstromleitungen ist ein Mindestabstand zu Wohngebieten von 400 Metern gesetzlich vorgeschrieben.“ In Urbar überspanne die bestehende Wechselstromleitung jedoch teilweise sogar Häuser.

Alternativtrassen werden laut Hennerkes nicht ernsthaft geprüft. Amprion-Sprecherin Joëlle Bouillon bestätigt, dass größtenteils die Masten der Wechselstromleitung nur umgerüstet werden sollen: „Das ist sehr landschaftsschonend. Wir müssen damit keine neuen Grundstücke in Anspruch nehmen.“ Daher sei Ultranet auch vom „Erdkabelvorrang“ anderer Gleichstrom-Verbindungen ausgenommen. Das spare mehrere zusätzliche Milliarden Euro. „Kleinräumige Verschwenkungen“ der Ultranet-Trasse würden allerdings auf Betreiben verschiedener Kommunen geprüft: „Da gibt es noch keine Entscheidungen.“

Gleichstrom-Leitungen sind laut Amprion besonders für große Entfernungen geeignet. Bei gleicher Spannung könnten sie mehr elektrische Leistung als Wechselstrom-Verbindungen transportieren. Allerdings ließen sich damit nicht verschiedene Regionen entlang der Leitung versorgen. Daher seien beide Übertragungen wichtig.

Hennerkes sagt: „Der Bau von Gleichstrom-Leitungen lohnt sich erst ab 600 bis 700 Kilometern.“ Sie glaube hier auch nicht an den Transport von Windstrom nach der geplanten Abschaltung des letzten deutschen Atomkraftwerks 2022: „Das ist ein Märchen. In Wirklichkeit geht es um die Verteilung von Kohlestrom im europäischen Stromhandel. Ultranet beginnt in Osterath in einem Kohlerevier - und die Verlängerung nach Emden im Norden soll erst später gebaut werden.“

Beim Großprojekt Ultranet ist ein mehrjähriges, fünfstufiges Planungs- und Genehmigungsverfahren vorgesehen. Die Sprecherin der Bundesnetzagentur, Carolin Bongartz, betont: „Indem wir Behörden, Verbände und Bürger rechtzeitig und umfassend informieren und miteinbeziehen, hoffen wir natürlich Rückschläge – auch in Form von Klagen am Ende des Verfahrens – zu vermeiden.“

Ob das gelingt, ist fraglich. Laut Hennerkes sind bereits tausende Einwendungen eingegangen. Sie droht mit einer Klage, „wenn unseren Forderungen nicht nachgegeben wird“. Viele Kreise und Kommunen hätten ebenfalls Kanzleien beauftragt, gegebenenfalls Klagen einzureichen. Hennerkes sagt: „Ich möchte nicht eines meiner Kinder in zehn Jahren auf den Friedhof bringen, deswegen engagiere ich mich.“

(ubg/dpa)
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