Rechtsextremismus in Deutschland "Immer frecher, immer dreister, immer gewaltätiger"

Passau/Fürstenzell (RPO). Neonazis haben ihn als Hassfigur deklariert. Passaus Polizeichef war in den vergangenen Jahren immer wieder gegen die rechte Szene vorgegangen. Dafür zahlte er jetzt einen hohen Preis. Ein mutmaßlich rechtsradikaler Messerstecher hätte ihn beinahe umgebracht. Die Tat sorgt im ganzen Land für eine neue Debatte um ein mögliches NPD-Verbot. Polizisten fühlen sich zunehmend bedroht.

Das Attentat auf den Polizeichef
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Alois Mannichl lebt mit seiner Familie in einer Reihenhaussiedlung in Fürstenzell. Das Grundstück in der Ringstraße wird an diesem Samstagabend von einem großen Schneemann geziert. In der eng bebauten Ringstraße steigt eine Adventsparty. Gegen 17.30 Uhr läutet es am Privathaus des Polizeidirektors. Der 52-Jährige geht an die Tür.

Er hat keine Chance zu reagieren. Ein 1,90 Meter großer, kräftiger Mann mit Glatze ruft: "Viele Grüße vom Nationalen Widerstand, du linkes Bullenschwein. Du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden rum." Im selben Moment rammt der Mann dem Polizeichef ein Messer mit einer elf Zentimeter langen Klinge in die linke Bauchseite, verfehlt um zwei Zentimeter das Herz. Der schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzte Beamte hört ein Motorengeräusch. Um 17.34 Uhr verständigt seine Frau die Einsatzzentrale, sechs Minuten später sind zwei Polizeistreifen vor Ort.

Die Spurensicherung läuft an, die Beamten finden das Tatmesser im Garten des Opfers. Mannichl ist zu diesem Zeitpunkt schon im Klinikum notoperiert und außer Gefahr. Er steht nun unter Personenschutz, ebenso seine Frau und seine beiden erwachsenen Kinder.

Hakenkreuzfahne im offenen Grab

Mannichl, der seit September 2004 Leiter der Polizeidirektion ist und von 1994 bis 1997 ihr Vizechef war, ist nach Worten von Polizeipräsident Hans Junker ein umsichtiger und professioneller Einsatzleiter. Er sei bekannt ist für sein geradliniges und konsequentes Einschreiten gegen Extremismus von links und von rechts.

Für die Anspielungen des Attentäters mit den Gräbern gibt es zwei Anlässe: Beim Begräbnis von Neonazi Friedhelm Busse in Passau am 26. Juli gab es Ausschreitungen um einen linken Journalisten sowie eine sichergestellte Hakenkreuzfahne, die NPD-Funktionär Thomas Wulff in das offene Grab legte.

Am 16. November, dem Volkstrauertag, soll Mannichl einen NPD-Funktionär "belästigt" haben er habe ihm die Sicht am Soldatenfriedhof genommen, beschweren die Rechtsextremisten sich im Internet. Aktuell gibt sich dort die Passauer NPD lammfromm und "verurteilt diese feige Tat aufs Schärfste und wird den Ermittlungsbehörden behilflich sein, den Täter ausfindig zu machen".

Neue Debatte über NPD-Verbot

Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach von einer "neuen Dimension" rechtextremistischen Gewalt. Sollte sich ein rechtsextremer Hintergrund dieses "unsäglichen Mordversuchs" bestätigen, "wäre dies eine völlig neue Dimension und Herausforderung, der wir uns politisch zu stellen haben".

Geprüft werden müssten alle Möglichkeiten der Sicherheitspolitik von der Beobachtung der Szene durch Nachrichtendienste, über das Versammlungsrecht bis zur Frage eines neuen NPD-Verbotsverfahrens. Staat und Gesellschaft seien gefordert, "hier ganz energisch die Stirn zu bieten".

Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart plädiert für ein neues NPD-Verbotsverfahren. "Ich würde nach sorgfältiger rechtlicher Prüfung der Verbotsgründe dazu neigen, dieses Instrument einzusetzen", sagte Degenhart am Montag in einem Interview der Nachrichtenagentur ddp in Karlsruhe.

Die NPD sei keine Splitterpartei, sondern habe inzwischen "eine Dimension angenommen, die ein Aussitzen wohl nicht mehr zulässt". Man könne nicht mehr darauf hoffen, dass sich die NPD wie die DVU irgendwann politisch "totläuft", sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Leipzig. Degenhart mahnte aber dazu, einen neuen Anlauf für ein Verbotsverfahren "professionell vorzubereiten".

Gewaltbereitschaft in der rechten Szene nimmt zu

Die Zunahme der Gewaltbereitschaft in der rechten Szene beschränkt sich unterdessen nicht nur auf Bayern. Nach vorläufigen Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) hat die Zahl der rechten Straftaten zwischen Januar und September dieses Jahres noch einmal um fast neuen Prozent zugelegt.

Von den etwa 31.000 deutschen Rechtsextremisten sind nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes 10.000 gewaltbereit. Für das Jahr 2007 weist die Statistik insgesamt mehr als 17.100 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund aus. In 377 Fällen wurden dabei Menschen verletzt.

"Immer frecher, immer dreister, immer gewaltätiger"

Auch die Polizei verzeichnet eine Zunahme rechter Gewalt. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, sieht seinen Berufsstand im Visier der Rechtsextremisten. Es gebe viele Polizisten, die von Rechten bedroht würden. Kollegen, die im Einsatz gegen Rechts häufiger tätig seien und Verantwortung trügen, würden bedroht und zu Hause belästigt. Das sei nicht selten. "Die Rechten werden immer frecher, immer dreister, immer gewalttätiger. Und die Polizisten geraten immer mehr ins Visier rechter Gewalt", betonte er.

Solch einen dramatischen Fall wie die Messerattacke auf den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl habe es aber noch nicht gegeben. Freiberg forderte, gegen rechte Gewalt konsequent und mit harten Strafen einzuschreiten. "Die Justiz muss hier richtig hinlangen. Diese Leute gehören eingesperrt, die gehören isoliert dabei." Es müsse das Signal ausgehen, dass rechte Gewalt nirgendwo geduldet werde.

(AP)
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