Der beispiellose Fall Magnus Gäfgen Hoffnung eines Mörders

Düsseldorf/Strassburg (RP). Heute entscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ob der inhaftierte Verbrecher Markus Gäfgen die Chance zur Wiederaufnahme seines Strafverfahrens erhält.

Der Fall Gäfgen: Die Ereignisse im Überblick
Infos

Der Fall Gäfgen: Die Ereignisse im Überblick

Infos
Foto: AP

Jakob von Metzler aus Frankfurt am Main wäre heute 17 Jahre alt, wenn er am 27. September 2002 auf dem Nachhauseweg von der Schule nicht auf seinen Mörder Magnus Gäfgen getroffen wäre.

Gäfgen, inzwischen 33 und zu lebenslanger Haft (die ja faktisch keine solche ist) verurteilt, hat heute Grund, erwartungsfroh nach Straßburg zu blicken. Dort entscheidet der von Gäfgen gegen die Bundesrepublik Deutschland angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) darüber, ob es beim Strafprozess vor dem Landgericht in Frankfurt 2003 gegen den Kindermörder und Eltern-Erpresser rechtsstaatlich korrekt zugegangen ist.

Das wäre nicht der Fall, wenn das Landgericht Gäfgen seinerzeit aufgrund von nicht prozessverwertbaren Beweisen zu "lebenslang", verbunden übrigens mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, verurteilt hätte. Nicht verwertbar könnten die Beweise - vor allem das Geständnis - gewesen sein, wenn der EGMR Deutschland begründet vorwirft, Frankfurter Polizeibeamte hätten beim Verhör Gäfgens am 1. Oktober 2002 das Folterverbot verletzt und so gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.

Wiederaufnahme möglich

Das jedenfalls behauptet der Anwalt des Kindermörders. Letzterer hatte mit seiner Einlassung, ihm sei nach der Festnahme mit Folterdrohungen von der Polizei Leid zugefügt worden, und deshalb habe er das Recht auf ein neues, diesmal faires Verfahren, weder in der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH), noch mit der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht Erfolg.

Sollten die Richter in Straßburg jetzt jedoch die Verletzung des Folterverbots sowie des Grundrechts auf ein faires Verfahren konstatieren, käme es wohl zu der bei Gericht seltenen Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Der Prozess gegen den Kindermörder Magnus Gäfgen würde dann nicht mehr beim Landgericht in Frankfurt, sondern bei einer Großen Strafkammer in Darmstadt geführt werden.

Geldnöte

Der frühere Jurastudent Gäfgen, dem noch als Untersuchungshäftling gestattet worden war, die erste Juristische Staatsprüfung abzulegen (was ihm gelungen ist), zeigte sich bislang juristisch sehr aktiv, wenn es um seine Rechte ging. So erhob er auch Schadensersatzanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland mit dem Hinweis, das womöglich erstrittene Geld in eine eigene Stiftung für Gewaltopfer einzubringen.

Den Tathergang an dem für Jakob von Metzler und seine Eltern so fürchterlichen 27. September 2002 hatte der Angeklagte Gäfgen seinerzeit vor Gericht geschildert. Danach lebte er auf großem Fuß und war in Geldnöte geraten. Deshalb plante er die Kindesentführung zur Erpressung der wohlhabenden Eltern des elfjährigen Jakob. Sie sollten für die Freilassung ihres Sohnes eine Million Euro bezahlen. Gäfgen sprach den Schuljungen auf der Straße an und lockte ihn unter einem Vorwand in seine Wohnung.

Androhung von Folter

Dort verklebte er dem Kind zunächst den Mund und dann die Nase. Um sicher zu gehen, ob der erstickte Junge vielleicht noch atme, entkleidete Gäfgen ihn und drückte ihn in seiner Badewanne unter Wasser. Das tote Kind brachte Gäfgen zu einem abgelegenen Seengebiet bei Frankfurt. Sodann forderte er in seinem Erpresserbrief Jakobs Eltern zur Zahlung des Lösegeld auf. Bei der Geldübergabe ging Gäfgen der Polizei in die Falle.

Er ließ die Polizei zunächst im falschen Glauben, dass das Kind noch am Leben sei. Damit er den Aufenthaltsort seines Opfers endlich preisgebe, ließ der damalige Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner einen seiner Kommissare gegen Gäfgen die Drohung ausstoßen, man werde ihm bis dato nicht gekannte Schmerzen zufügen, wenn er der Polizei nicht das Versteck bekanntgebe. Erst dann gab Gäfgen nach und führte die Beamten zum toten Jakob von Metzler.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort