Olympiastadion in Berlin Hitlers Olympia

Düsseldorf (RP). Am Montag vor 75 Jahren begannen in Berlin die olympischen Sommerspiele. Sie boten überragende sportliche Leistungen und verschafften der Herrschaft der NSDAP einen großen Legitimationsgewinn.

 Der Amerikaner Jesse Owens gewinnt in Berlin vier Gooldmedaillen.

Der Amerikaner Jesse Owens gewinnt in Berlin vier Gooldmedaillen.

Foto: dpa, dpa

Als Adolf Hitler die Arena des neu erbauten Olympiastadions in Berlin betrat, ertönte vor 100 000 Zuschauern eine Fanfare von 30 Trompeten. 3000 Sänger sangen "Deutschland, Deutschland über alles", die Nationalhymne, danach das Horst-Wessel-Lied, das Parteilied der NSDAP, und anschließend die Olympische Hymne. Die hatte der Komponist Richard Strauss komponiert, der — ganz in Weiß gekleidet — den Riesenchor dirigierte. Nachdem die gewaltige Olympia-Glocke ertönt war, zogen die Athleten ins Stadion ein. Etliche Nationalmannschaften, darunter die Franzosen, hoben, als sie an Hitler vorbeischritten, den Arm zum nationalsozialistischen Gruß. Die Briten und Amerikaner verzichteten demonstrativ auf diese Geste.

Das hatte Gründe. Zwei Jahre vor der glanzvollen Eröffnungsfeier war es keineswegs sicher, dass die Olympischen Spiele in Berlin zu dem denkwürdigen Ereignis wurden, als das sie bis heute der Nachwelt erscheinen. Berlin hatte den Zuschlag vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten erhalten. Nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, war 1934 in den USA lebhaft diskutiert worden, ob eine amerikanische Mannschaft in ein Land reisen sollte, dessen Führung die Demokratie abgeschafft und eine anti-jüdische Politik eingeleitet hatte. Nur der trickreiche Einsatz des Geschäftsmanns und Sportfunktionärs Avery Brundage sicherte die Teilnahme der USA an den Berliner Spielen. Brundage, später Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), 1912 selbst Olympia-Teilnehmer, hatte als Chef einer US-Athleten-Vereinigung eine Abstimmung verschoben, bis er eine Mehrheit für die Reise nach Berlin erreicht hatte.

Während der Spiele keinn Antisemitismus in der Presse

Hitler, der den propagandistischen Wert von Olympia erkannt hatte, war gewarnt. Die Reichsregierung hatte dem IOC freien Zugang nach Berlin für Athleten aller Rassen zugesagt. Hitler persönlich hatte außerdem vor den Winterspielen, die am 6. Februar in Garmisch-Partenkirchen eröffnet worden waren, antisemitische Ortsschilder mit Parolen wie "Juden ist der Zutritt verboten" entfernen lassen. Darauf hatte der damalige IOC-Präsident, der belgische Graf Henri Baillet-Latour, gedrängt. Während der Spiele gab es in der gelenkten deutschen Presse keinen antisemitischen Ausfall.

Die Vorgeschichte, auch das politische Umfeld, wurden überstrahlt, als die Spiele in Berlin erst liefen. Es gab hervorragenden Sport. Bis heute unvergessen ist Jesse Owens, der im 100-Meter- und im 200-Meter-Lauf ebenso gewann wie in der 100-Meter-Staffel und beim Weitsprung. Dieser Wettbewerb setzte überdies ein Zeichen gegen den Rassenwahn. Der deutsche Europarekordler Carl Ludwig "Luz" Long und Owens lieferten sich ein Duell, in dem der Olympische Rekord fünfmal überboten wurde. Schließlich sprang Owens 8,06 Meter, Long erreichte 7,97 Meter. Unter den Augen Hitlers umarmten sie sich und wurden Freunde, woran Owens noch Jahrzehnte später erinnerte — Long starb 1943 im Krieg.

Bis heute wird erzählt, Hitler habe sich geweigert, Owens die Hand zu geben. Der Hitler-Biograf Ian Kershaw hält das für eine Legende. Hitler habe keine Gelegenheit zum Affront gehabt. Zwar habe der Führer und Reichskanzler nach den ersten Wettkämpfen den Siegern gratuliert, doch das sei ein Verstoß gegen das olympische Protokoll gewesen. Darauf sei Hitler vom IOC-Präsidenten hingewiesen worden und habe danach keinem Sieger mehr die Hand gereicht.

Spiele verschafften NS-Regime Anerkennung

Erfolgreichste Nation wurden in Berlin die Deutschen. Das war nicht zu erwarten. 1932, in Los Angeles, hatten sie im Medaillenspiegel nur Platz neun belegt. Jetzt triumphierten sie beim Turnen, beim Reiten und in vielen anderen Disziplinen. Erfolgreichster Deutscher war der Turner Konrad Frey mit drei goldenen, einer silbernen und zwei Bronzemedaillen. Insgesamt hatte die Mannschaft in den zwei Wochen der Spiele 33 Goldmedaillen, 26 Silberne und 30 Bronzene gewonnen. Begleitet wurden die Spiele von glanzvollen Festen, zu denen Hermann Göring, Joseph Goebbels und Joachim von Ribbentrop mehrere Tausend einflussreiche Ausländer luden. Die große Mehrheit fuhr, so vermutet Kershaw, höchst beeindruckt nach Hause. Im Inland wie im Ausland verschafften die Spiele dem NS-Regime neue Anerkennung, ja sogar Legitimität.

Für die Athleten war ein Olympisches Dorf gebaut worden, das neue Maßstäbe setzte. Alle Wettkampfstätten waren in hervorragendem Zustand. Das schuf Respekt und Anerkennung. Auch medientechnisch beschritt das NS-Regime neue Wege. In Berlin gab es, allerdings beschränkt auf die Stadt und besondere Empfangsräume, erste Fernsehbilder vom Olympischen Geschehen. In 50 Sprachen wurden 3000 Radiosendungen in alle Welt verbreitet. Die Wochenschauen berichteten ausführlich, auch dass sich jedes Mal, wenn Hitler das Stadion betrat, die Zuschauer von den Sitzplätzen erhoben. Leni Riefenstahl drehte ihren Olympia-Film. Die Schauseite des Regimes strahlte.

Und abseits davon? Am Ende des Sommers 1936 wurde der Kurs auf Kriegswirtschaft gedreht. Und noch während der Spiele wurde ein neues Konzentrationslager errichtet: Sachsenhausen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort