Fünf Jahre Geiselhaft Hintzes Freilassung ein Schock für Ehefrau

Bogota (rpo). Rosy de Hintze hat alles unternommen. In fünf Jahren hat sie mindestens drei Mal Lösegeld an die Entführer ihres Mannes gezahlt. Um die Gelder an die Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) aufbringen zu können, verkaufte sie ihr Auto, nahm Kredite auf. Nachdem die Hoffnung auf Freilassung immer wieder zerstört wurde, kam jetzt endlich die erlösende Nachricht: Nach fünf Jahren Geiselhaft ist der deutsche Geschäftsmann Lothar Hintze frei.

 ARCHIV: Die Haende eines Mannes sind in Neuruppin mit Handschellen gefesselt (Foto vom 06.12.02). Das Bundesverfassungsg

ARCHIV: Die Haende eines Mannes sind in Neuruppin mit Handschellen gefesselt (Foto vom 06.12.02). Das Bundesverfassungsg

Foto: ddp, ddp

Am Mittwoch befand er sich unter Aufsicht der deutschen Botschaft in Bogota und wurde medizinisch und psychologisch betreut. Seine 40-jährige kolumbianische Frau wartete unterdessen auf eine Nachricht, um das Wiedersehen mit ihrem Mann feiern zu können. "In der Sekunde, in der sie mich anrufen, laufe ich zur Tür hinaus", sagte Rosy de Hintze. Seit dem 16. März 2001 hat sie ihren Mann nicht mehr gesprochen.

Das war der Tag, an dem der inzwischen 60-Jährige von 15 bis 20 schwer bewaffneten Guerilleros überfallen und verschleppt wurde. Das Paar war gerade beim Baden in einem Ferienzentrum, das Hintze im Süden Kolumbiens errichtete. Die Angreifer kamen in einem Boot und verschleppten den deutschen Geschäftsmann an einen unbekannten Ort.

Die Einzelheiten der überraschenden Freilassung sind nicht bekannt. Die deutsche Botschaft erklärte, dass sie aus Rücksicht auf die Familien anderer Geiseln keine Informationen dazu mitteilen werde. In Berlin sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dass die deutschen Behörden seit der Geiselnahme in engem Kontakt zu kolumbianischen Behörden, zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und zur katholischen Kirche gestanden hätten. Ohne die Zusammenarbeit hätte die Freilassung nicht erreicht werden können, sagte Steinmeier.

Als Rucksack-Tourist

Hintze kam nach Angaben seiner Frau bereits in den 70er Jahren als Rucksack-Tourist aus Stuttgart nach Kolumbien. Er ließ sich in dem lateinamerikanischen Land nieder und engagierte sich als Geschäftsmann in mehreren Projekten, darunter zuletzt auch am Bau des Ferienzentrums in Prado, 150 Kilometer südwestlich von Bogota.

Entführungen sind für kriminelle Banden in Kolumbien zu einem lukrativen Geschäft geworden. Auch die FARC nutzt dieses Mittel, um ihren seit vier Jahrzehnten andauernden Aufstand gegen die Regierung zu finanzieren. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Organisation Pais Libre rund 800 Menschen von Geiselnehmern verschleppt, die meisten von ihnen Kolumbianer. Insgesamt werden schätzungsweise bis zu 4.000 Geiseln festgehalten, darunter 25 Ausländer.

"Es kommt sehr oft vor, dass Familien den Bankrott auf sich nehmen, wenn sie auf Lösegeldforderungen eingehen", sagt Olga Lucia Gomez, die Leiterin von Pais Libre, die die Interessen der Opfer von Entführungen vertritt. "Die Zahlungen reichen von 2.000 Dollar bis zu fünf Millionen."

Ein Schock

Die Freilassung ihres Mannes am Dienstag war für Rosy de Hintze ein Schock. Das letzte Lebenszeichen, das sie von ihm erhalten hatte, war im November vergangenen Jahres ein Video mit Aufnahmen des ausgemergelten Mannes, der darum bat, "nicht in den Bergen sterben zu müssen".

Für die ehemalige Geisel und seine Frau beginnt jetzt keine einfache Zeit. Gomez hat die Erfahrung gemacht, dass den freigelassenen Geiseln und ihren Angehörigen "ein schwieriger Prozess der Anpassung" bevorsteht.

(ap)
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