„Krieg der Steine“ Warum ein kritischer Youtuber Ärger mit Lego hat

Meinung | Frankfurt/Billund · Mit frechen Lego-Videos erreicht der "Held der Steine" bei YouTube 35 Millionen Klicks. Doch anstatt die Expertise von Thomas Panke zu nutzen, geht der Konzern anwaltlich gegen ihn vor – und erntet einen gewaltigen Shitstorm.

 Youtuber Thomas Panke spricht zu seinem Publikum.

Youtuber Thomas Panke spricht zu seinem Publikum.

Foto: Screenshot: Youtube (Held der Steine)

Wenn man so will, rennt Lego bei Thomas Panke offene Türen ein. Per Anwaltsbrief wird dem Frankfurter seinen eigenen Angaben zufolge vorgeworfen, er demonstriere zu wenig Distanz zum Konzern. Angeblich bestehe die Gefahr, dass Kunden den Ein-Mann-Laden mit angeschlossenem YouTube-Kanal mit Lego selbst (17.500 Mitarbeiter; Umsatz: 4,7 Mrd. Euro) verwechsele. Das wäre nicht weiter berichtenswert – wirkte es nicht wie ein durchsichtiger Versuch, die einzig prominente kritische Stimme in der millionenstarken deutschsprachigen Fan-Community einzuschüchtern.

Panke selbst, der den Vorgang am Sonntagmittag in einem 18-Minuten-Video öffentlich machte und aus dem Anwaltsschreiben vorlas, enthält sich jeder Interpretation – umso einstimmiger aber reagieren seine Fans, die Lego auf allen Kanälen einen veritablen Shitstorm einbringen. Den Konzern haben wir um Stellungnahme gebeten; zu am Montagmittag bat ein Sprecher um Geduld.

Unter dem Namen "Held der Steine" betreibt Panke (38) nicht nur sein kleines Fachgeschäft in Frankfurt, sondern auch einen umso größeren YouTube-Kanal: Beinahe 160.000 Abonnenten sorgen für bislang fast 35 Millionen Klicks, Tendenz: stark steigend. Das liegt vor allem daran, dass Panke im Plauderton mit sarkastischen Einschüben, aber inhaltlich gnadenlos die Schwächen einzelner Modelle wie auch die komplette Strategie des Spielzeugriesen seziert.

Konkret kritisiert der von Lego beauftragte Anwalt in dem Schreiben laut Panke die Lego-typische Noppe auf einem stilisierten Baustein im bisherigen Logo vom „Held der Steine“ - das dieser mit sofortiger Wirkung auch geändert hat. Allerdings sehen so oder so ähnlich hunderte Logos von Fan-Medien in aller Welt aus – doch die wichtigsten von ihnen hält Lego an der Kandare, mit Gratis-Bausätzen sowie dem Gütesiegel „Lego Recognized Fan Media“, das wiederum diverse Verpflichtungen nach sich zieht. Panke hingegen ist ein absoluter Freigeist, der Lego nicht nur mit seiner Meinungsfreude, sondern auch mit seinen kaufmännischen Entscheidungen angreift. So packt er die absichtlich in Sichtschutzfolie versteckten Sammelfiguren in transparente Beutel um – und verkauft sie weiter für einen Preis, der je nach Figur weit abweicht von den für alle „blind“ verlangten 3,99 Euro.

Doch von alledem ist zumindest in den Teilen des Briefs, die Panke vor der Kamera vorliest, kein Wort zu lesen. Vielmehr sei das Problem, dass seine Videos - die aufgrund des Noppen-Bausteins in seinem Logo ja angeblich mit Lego-eigenen Filmen verwechselt werden könnten - nicht „den Qualitätserwartungen und Wertvorstellungen der Lego-Unternehmensgruppe entsprechen“. Da wird Panke dann plötzlich ernst. Er legt den Brief weg. „Da war's aus für mich“, sagt er empört; Legos Idealvorstellung empfindet er als Affront. „Definitiv hab ich andere Wertvorstellungen!“ Erstens versuche er nicht, „euch maximal viel Geld für wirklich immer schlechtere Produkte abzunehmen“, und zweitens bemühe er sich um Kundennähe. Sichtlich und hörbar gekränkt bekennt er sich schuldig: „Meine Meinung spiegelt nicht die von Lego wider. Ich hab an mich höhere Ansprüche - und ich finde, ich mach meinen Job auch wesentlich besser…“

Zumindest im Bereich Krisenkommunikation wird man ihm nur zustimmen können. Panke erlaubt sich nur einen kleinen Lästerer über die Verspätung des Lego-Katalogs 2019: „Da haben sie wieder irgendwas verstümpert. Klappt nicht.“ Ironisch reckt er die Daumen: „Profis am Werk!“ Vor allem aber erklärt er souverän und fröhlich, welche Konsequenzen er selbst ziehen wird: Vom Lego-Konzern werde er keine Ware mehr beziehen – und stattdessen zukünftig auch Produkte kleinerer Lego-Rivalen wie Xingdao (China) oder Cobi (Polen) vorstellen. Andauernden Ärger mit dem Konzern - den auch andere Händler unter der Hand als arrogant und ignorant beschreiben - erwähnt Panke in einem Nebensatz; seit einiger Zeit erhalte er nicht einmal mehr Plastiktüten mit dem Logo.

Der größte und berüchtigtste Wettbewerber kommt bei Panke dennoch nicht vor die Kamera: Der chinesische Konzern Lepin setzt nämlich überwiegend auf dreiste 1:1-Klone der erfolgreichsten Lego-Sets – zu einem Bruchteil der Preises. "Ich finde, das ist eine Schweinerei. Das macht man nicht."

Für diese Integrität und Souveränität hagelt es Lob. Außerdem finden sich 4.500 Kommentare unter dem Video selbst wie auch hunderte Tweets und Kommentare auf Legos Facebook-Seite, in denen Fans berichten, dass Panke sie mit seinen Videos im Erwachsenenalter wieder zu Fans und Sammlern der Bausteine gemacht habe - und damit auch zu Umsatzbringern.

So schreibt eine „cyana h“: In dem Jahr, seit sie seinen Kanal verfolge, habe sie jede Woche einen neuen Baukasten gekauft - 52 Stück mit insgesamt 80.000 Teilen. Das entspricht einem Umsatz von bis zu 10.000 Euro. Die Post vom Anwalt solle er als Kompliment sehen: "Du hast eine Reichweite, die LEGO mittlerweile als signifikant einstuft. Und Angst vor dir bekommt."

Fast, aber auch nur fast schimmert Mitleid durch für „so ein fulminantes wie unnötiges PR-Desaster“ – Lego hatte am Sonntag in keiner Form Stellung bezogen. Eine Presseanfrage unserer Redaktion mit konkreten Fragen zum Umgang mit Panke kurz vor Weihnachten hatte eine Sprecherin mit allgemeingültigen Phrasen beantwortet. Unter anderem hieß es: „Auch Rückmeldungen zu unseren Produkten, die wir (…) in Form von Videobeiträgen auf YouTube erhalten, sind für uns wertvoll. Dabei respektieren wir selbstverständlich auch kritische Stimmen.“

Nun hat der größte dieser Kritiker Post vom Anwalt bekommen. Das Klügste wäre vielleicht gewesen, Lego hätte den inhaltlich unbestritten kompetenten Kritiker eingestellt. Das Zweitklügste wäre gewesen, ihn einfach machen zu lassen. Auf eine häufige Fan-Frage hin hatte Panke erst kürzlich erklärt: "Lego interessiert sich nicht für mich. Es gibt kein Feedback. Gar keins. Null. Aber ich glaube, Lego hat wesentlich mehr Nutzen von mir, als dass sie sich auf den Schlips getreten fühlen, weil ich erzähle, was für Stuss sie treiben. Die lassen mich wurschteln und freuen sich über den Werbeeffekt.“

Stattdessen nun das Anwaltsschreiben. Ein YouTube-Nutzer fasst zusammen, der Konzern hätte besser darüber nachdenken sollen, wer der Adressat sei: Ein Feind der Marke – oder ein „Geschäftspartner, ein Werber fürs eigene Produkt, von dem man die Chance hat, Informationen zu bekommen und viel zu lernen." In diesem Fall habe Lego „alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte“. Hier lesen Sie, was der „Held der Steine“ Thomas Panke selbst im RP-Interview zu dem Vorgang sagt.

Am späten Montagabend (21. Januar 2019) erklärte ein Konzernsprecher in einer kurzen Mail an unsere Redaktion, man beschäftige 20 Mitarbeiter, die sich um erwachsene Fans kümmerten. Den Schutz seiner Markenrechte nehme Lego "sehr ernst" und wolle sicherstellen, dass kein Dritter ähnliche Marken offiziell anmelde. Zum konkreten Fall wolle man sich nicht äußern. Problematisch fand man aber offenbar Pankes altes Logo, das an die geschützte 3D-Darstellung eines Legosteins mit vier Noppen angelehnt war.

(tojo)
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