Grundsatzurteil Hartz-IV-Empfänger müssen nicht umziehen

Kassel (RPO). Hartz-IV-Empfänger in Ballungsräumen müssen sich nicht mit einer kleineren Wohnung zufrieden geben als Arbeitslose auf dem Land. Das entschied am Donnerstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel auf die Klage eines Arbeitslosen aus München.

Die Ergebnisse der Hartz-IV-Studie im Detail
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Foto: ddp

Mit weitern Urteilen entschied das BSG strittige Fragen zu Kabelanschlüssen, der Vorlage von Kontoauszügen und der Teilanrechnung des Einkommens der Kinder. Im ersten Fall hatte die Stadt München gemeint, sie müsse Arbeitslosen nur kleinere Wohnungen bezahlen als in anderen Regionen Bayerns. Angesichts der Wohnungsknappheit und hoher Mietpreise würden sich auch andere Haushalte häufig mit weniger Platz begnügen.

Konkrete Regeln sind "wünschenswert"

Wie nun das BSG entschied, ist dies nach derzeitigem Recht nicht zulässig. Es sei allerdings "wünschenswert", der Gesetzgeber würde die Unterkunftskosten konkreter regeln. "Mangels anderer Anhaltspunkte" müssten bis dahin die für das Arbeitslosengeld II zuständigen Arbeitsgemeinschaften auf die Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus als Maßstab gelten. Davon dürfe auch die Landeshauptstadt nicht abweichen.

Nach dem Grundsatzurteil können zum Kostenvergleich Wohnungen im gesamten Stadtgebiet Münchens herangezogen werden. Zumutbar sei ein Umzug innerhalb eines geschlossenen Siedlungsraums mit ausreichender öffentlicher Verkehrsanbindung. Dagegen müssen Arbeitslose in der Regel nicht in einen anderen Ort umziehen und so den Verlust ihres sozialen Umfeldes hinnehmen. Fahrwege, wie sie beispielsweise auch Schülern zugemutet würden, müssten aber auch Arbeitslose hinnehmen, um ihre sozialen Kontakte zu erhalten. Besondere Rücksicht sei allerdings gegenüber pflegenden Arbeitslosen, Alleinerziehenden und Haushalten mit schulpflichtigen Kindern geboten.

Arbeitsgemeinschaften müssen Kabelgebühren erstatten

Mit einem weiteren Urteil schaffte das BSG Klarheit für hunderttausende Hartz-IV-Haushalte mit Kabelanschluss (Az: B 4 AS 48/08 R). Danach müssen die Arbeitsgemeinschaften die Kabelgebühren erstatten, wenn der Arbeitslose laut Mietvertrag verpflichtet ist, die Kosten zu zahlen. Dagegen besteht kein Anspruch auf Kostenübernahme, wenn die Kabelnutzung freiwillig und der Gebrauch von Rundfunk und Fernsehen auch anders gewährleistet ist. Entsprechendes gilt auch für andere umlagefähige Miet-Nebenkosten.

Zudem bekräftigte das BSG die Pflicht der Arbeitslosen, den Arbeitsgemeinschaften ihre Kontoauszüge der vergangenen drei Monate vorzulegen. Nach einem Grundsatzurteil vom September 2008 dürfen sie allerdings Angaben über ihre Ausgaben teilweise schwärzen. Wie das BSG nun klarstellte, gilt die Vorlagepflicht nicht nur beim ersten, sondern auch bei jedem Folgeantrag (Az: B 4 AS 10/08 R).

Schließlich bestätigte das BSG, dass im Haushalt lebende erwerbstätige Kinder einen Beitrag für den Unterhalt ihrer arbeitslosen Eltern leisten müssen (Az.: B 4 AS 68/07 R). Bei volljährigen Kindern unter 25 Jahren war dies unstreitig, weil sie mit zur so genannten Bedarfsgemeinschaft gehören. Leben ältere Kinder mit ihren Eltern zusammen, gilt dies als "Haushaltsgemeinschaft". Die Vorschriften, wonach die Arbeitsgemeinschaft berücksichtigen darf, dass auch die älteren Kinder ihre Eltern typischer Weise unterstützen, seien rechtmäßig. Im konkreten Fall muss die Tochter 71 Euro abgeben, urteilte das BSG.

(AFP)
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