Ermittlungen in Hannover Polizist soll Flüchtlinge mit altem Schweinefleisch gequält haben

Hannover · Die Staatsanwaltschaft Hannover hat wegen des Verdachts der Misshandlung von Flüchtlingen in einer Wache der Bundespolizei in Hannover Medienberichten zufolge Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten aufgenommen.

Hannover: Polizei soll Flüchtlinge in Wache misshandelt haben
Foto: AP, AP

Nach gemeinsamen Recherchen des NDR-Fernsehmagazins "Hallo Niedersachsen" und des Radiosenders NDR Info soll es im vergangenen Jahr mehrfach Übergriffe auf Menschen in den Gewahrsamszellen gegeben haben.

In einem Fall soll den Berichten zufolge ein Flüchtling aus Afghanistan gewürgt und mit angelegten Fußfesseln durch die Wache geschleift worden sein. In einem anderen Fall bestehe der Verdacht, dass ein Marokkaner in der Zelle gezielt erniedrigt wurde; ihm sei unter anderem verdorbenes Schweinemett verabreicht worden.

Nach Informationen des Senders soll sich der ins Visier der Staatsanwaltschaft geratene Beamte im Kurzmitteilungsdienst What's App solcher Handlungen gerühmt haben und außerdem ein Foto gemacht und an Kollegen verschickt haben. Das Bild zeige einen gefesselten Menschen in unnatürlicher Haltung und mit erkennbar von Schmerz verzerrten Gesichtszügen. Auf dem Foto sind die Stiefel zweier Beamter zu sehen.

Den Berichten zufolge gab es sowohl in der Dienststelle des Bundespolizisten in Hannover als auch in dessen Privathaus am Freitag Hausdurchsuchungen. Dabei wurde laut Staatsanwaltschaft Beweismaterial beschlagnahmt, heißt es in den Berichten weiter. Wegen der Schwere der Vorwürfe sei Eile bei den Ermittlungen geboten gewesen, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge dem NDR demnach auf Anfrage. Die Bundespolizeidirektion in Hannover wollte sich auf Nachfrage des Senders nicht zu den Vorwürfen äußern, da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele. Eine Sprecherin sagte den Angaben zufolge aber, es gebe ein "größtmögliches Aufklärungsinteresse".

Grüne fordern Aufklärung

Die Grünen erwarten von der Bundesregierung, dass die Bundespolizei rückhaltlos Rechenschaft über die Vorgänge in ihrer Wache in Hannover abgibt. "Sollten sich die Vorwürfe über rassistisch motivierte Misshandlungen im Polizeigewahrsam bestätigen, wäre das ein echter Tiefschlag für den demokratischen Rechtsstaat", sagte Grünen-Polizeiexpertin Irene Mihalic unserer Redaktion. Der Polizei komme als Inhaberin des staatlichen Gewaltmonopols im Innern eine besondere Verantwortung zu. "Es stellt sich die Frage, ob es sich um Einzelfälle oder um eine strukturelles Problem handelt", erklärte Mihalic.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl sieht in den mutmaßlichen Misshandlungen "ein entsetzliches Ausmaß an Rassismus und Menschenverachtung". Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt forderte am Montag eine Ausweitung der Ermittlungen auf die Mitwisser. "Der ganze Sumpf muss offen gelegt werden."

Als "Skandal im Skandal" bezeichnete Burkhardt "die Tatenlosigkeit der Mitwisser in Polizeiuniform". Die Öffentlichkeit müsse wissen, wer zu welchem Zeitpunkt was von den Vorfällen wusste. "In einer hierarchischen Polizeiorganisation stellt sich auch die Frage, ob und inwieweit die Vorfälle Vorgesetzten bekannt waren", sagte Burkhardt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt angesichts der Misshandlungsvorwürfe vor einem Imageschaden für die gesamte Polizei. "Auch wenn das, so wie es sich bislang darstellt, nur ein Einzelfall ist, ist zu befürchten, dass es schon jetzt einen Imageverlust gibt", sagte Dietmar Schilff, GdP-Landeschef in Niedersachsen und Mitglied des Bundesvorstands. Der "nicht zu entschuldigende Vorfall" überschatte die Polizeiarbeit. Dies gelte insbesondere für die "überwiegend guten Leistungen" der Bundespolizisten am Hauptbahnhof Hannover, "einem schwierigen Ort".

(AFP)
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