Häusliche Gewalt Anrufe beim Hilfetelefon 2020 deutlich gestiegen

Berlin · Im vergangenen Jahr haben sich deutlich mehr Menschen beim bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ gemeldet. Das ist zwar auch auf die gestiegene Aufmerksamkeit zurückzuführen – aber auch auf eine Zunahme der Gewalt.

 Familienministerin Franziska Giffey (SPD, r.) und Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ , stellten am 10. Mai den Jahresbericht des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ vor.

Familienministerin Franziska Giffey (SPD, r.) und Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ , stellten am 10. Mai den Jahresbericht des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ vor.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Deutlich mehr Frauen oder besorgte Menschen aus dem Umfeld haben sich während der Corona-Pandemie an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ gewendet. Wie die Leiterin des Hilfetelefons, Petra Söchting, am Montag in Berlin mitteilte, gab es 2020 rund 51.000 Anrufe oder Online-Kontakte. Dies sei ein Anstieg um 15 Prozent. Gestiegen sei die Zahl der Anrufe vor allem seit April 2020. In rund 24.000 dieser Beratungen sei es um häusliche Gewalt gegangen, sagte Söchting. Dies entspreche einem Anstieg von 20 Prozent. Das Hilfetelefon berät Frauen, denen physische, sexualisierte oder auch psychische Gewalt wie Mobbing zu Hause, auf der Arbeit oder anderswo angetan wurde.

Während der Corona-Pandemie hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Aktion „Zu Hause nicht sicher“ gestartet, bei der vor allem in Supermärkten stärker als früher auf das Hilfetelefon aufmerksam gemacht wurde. Hintergrund war die Sorge, dass Frauen im Lockdown schwerer Hilfe bekommen und Gewalttaten unbemerkt bleiben. Die gestiegene Zahl der Anrufe erklärt Söchting zum einen mit der erhöhten Aufmerksamkeit für die Nummer. Söchting und Giffey vermuten aber auch einen Anstieg der Gewalt.

Dort, wo schon belastende Situationen vorgelegen hätten, sei Überforderung und Frust während der Pandemie häufiger in Gewalt umgeschlagen, sagte Giffey. Söchting sagte, die Belastungen hätten durch räumliche Enge, Homeoffice und Home-Schooling, Angst vor Jobverlust und fehlende Freiräume zugenommen. Möglichkeiten wie ein Kaffeetrinken bei Freunden, die schwierige Situationen deeskalieren können, seien weggefallen.

Gefehlt habe auch die soziale Kontrolle etwa durch Kontakte am Arbeitsplatz, sagte Giffey. Söchting ergänzte, dass auf der anderen Seite aber Hinweise von Nachbarn zugenommen hätten. Durch das Arbeiten im Homeoffice seien mehr Problemfälle in der Nachbarschaft aufgefallen, die sonst vielleicht unbemerkt geblieben wären. Rund 9000 der Telefonkontakte gehen auf sogenannte Unterstützer für Frauen in Not zurück, zu denen auch Nachbarn gehören.

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist rund um die Uhr unter der Nummer 08000/116016 erreichbar. Hilfsangebote gibt es auch per Chat oder Online-Beratung unter www.hilfetelefon.de. Beratung gibt es in 17 Sprachen sowie in Leichter und Gebärdensprache.

(bora/epd)
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