H5N8-Erreger Vogelgrippe kommt wohl aus Zentralrussland und Mongolei

Greifswald-Riems · Der in mehreren europäischen Ländern nachgewiesene H5N8-Erreger ist vermutlich von Zugvögeln aus Russland nach Mitteleuropa getragen worden. Die Vogelgrippe wird Geflügelhalter wohl weiter in Atem halten.

 Wegen der Vogelgrippe herrscht vielerorts Stallpflicht für Geflügel. (Symbolbild)

Wegen der Vogelgrippe herrscht vielerorts Stallpflicht für Geflügel. (Symbolbild)

Foto: dpa, stephan ukit

Wie der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Thomas Mettenleiter, sagte, ist das Virus im Sommer 2016 bei Wildvögeln in Zentralrussland, in Sibirien und der Mongolei nachgewiesen worden. Da der aktuell in Mitteleuropa auftretende Erreger dem im Sommer gefundenen "sehr ähnele", könne man davon ausgehen, dass er von dort über Wildvögel nach Westen gelangt sei.

Der Vogelzug, bei dem Hunderttausende Vögel allwinterlich vor der Kälte im Osten und Norden Europas nach Westen fliehen, steht erst am Anfang. Ob mit der Westdrift von Zugvögeln in den kommenden Wochen mehr infizierte Wildvögel in Mittel- und Westeuropa gefunden werden, müsse abgewartet werden, sagte Mettenleiter. Die Situation könne sich noch verschärfen. Es sei aber auch durchaus möglich, dass es wie bei der Vogelgrippe-Epidemie von 2006 Phasen gebe, in denen die Infektionsdynamik wieder abebbe.

Ende vergangener Woche war die Vogelgrippe in einem schleswig-holsteinischen Geflügelbetrieb ausgebrochen. 30.000 Hühner mussten getötet werden. "Bei dem aktuell hohen Infektionsdruck durch Wildvögel von außen sind vereinzelte Einträge in Nutzgeflügelbestände nicht zu hundert Prozent zu verhindern", sagte Mettenleiter. Wie der Erreger in den abgeschlossenen Betrieb kam, ist weiter unklar. Die Experten des Friedrich-Loeffler-Instituts wollten am Montagabend ihre Untersuchungen vor Ort abgeschlossen haben. Danach sollte die Bewertung der Befunde beginnen.

Zur Eindämmung der Vogelgrippe setzen die deutschen Behörden weiter auf ein koordiniertes Vorgehen. Am Dienstag soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe über mögliche einheitliche Maßnahmen für Risikogebiete beraten, wie es im Bundesagrarministerium hieß. Ressortchef Christian Schmidt (CSU) hat bereits einen zentralen Krisenstab eingerichtet. Die Länder sollen Stallpflicht in Gebieten anordnen, in denen die Wahrscheinlichkeit eines Virus-Eintrages hoch ist. Das Geschehen werde weiter intensiv beobachtet, hieß es. Schmidt hatte auch mit EU-Amtskollegen über die Vogelgrippe gesprochen.

Eine Schutzimpfung für Nutzgeflügelbestände ist aus Sicht der Forscher trotz der Infektionsgefahr nicht sinnvoll. Eine Impfung verhindere zwar klinische Erscheinungen, nicht aber die Infektion, sagte Mettenleiter. "Wir rennen dann in die Gefahr, dass sich unter der Impfdecke die Infektion weiter ausbreitet." Impfungen sind derzeit auf Antrag für besonders seltene Rassen und Zoohaltungen möglich.

Neben Wildenten und Haubentauchern waren in den vergangenen Tagen auch aasfressende Möwen positiv getestet worden. Eine Vermutung der Forscher ist, dass sie sich über das Fressen an Kadavern angesteckt haben könnten. Dass sich auch aasfressende Säuger wie Katzen oder Füchse an infizierten Wildvögeln anstecken, ist nach Auskunft des auf der Insel Riems bei Greifswald ansässigen FLI unwahrscheinlich. "Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass H5N8 bei Säugern aufgetreten ist", sagte Mettenleiter.

Dennoch will das Bundesforschungsinstitut diese Möglichkeit prüfen. Experimentelle Versuche in den Hochsicherheitslaboren des FLI sollen klären, ob der Erreger prinzipiell in der Lage ist, auf Säuger überzugehen. Unter anderem sollen Schweine, Mäuse und auch Frettchen künstlich infiziert werden.

Die Forscher gehen davon aus, dass die aktuelle epidemiologische Situation stark der Lage von 2006 ähnelt, als der Vogelgrippe-Erreger vom Typ H5N1 in Deutschland grassierte. "Wir haben eine Epidemie im Wildvogelbereich. Der Erreger breitet sich in Wildvogelpopulationen aus und wir haben vereinzelte Einträge in Nutzgeflügelbestände", zog Mettenleiter Parallelen. Es gibt aber einen großen Unterschied:
Anders als für H5N1 vor zehn Jahren sind für H5N8 keine Übertragungen auf den Menschen bekannt.

(mre/dpa)
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