Haushaltsabgabe kommt 2013 GEZ auf Daten-Jagd

Düsseldorf/Köln · Mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen hat der NRW-Landtag heute der Einführung eines "Rundfunkbeitrags" für alle Haushalte ab 2013 zugestimmen. Die GEZ wirbt bereits neues Personal an.

Fragen und Antworten zur Rundfunkgebühr
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Foto: dpa, dan soe sab

Aktuell sucht die Kölner Gebühreneinzugszentrale (GEZ) zusätzlich zu ihren mehr als 1100 Beschäftigten für die kommenden beiden Jahre weitere Sachbearbeiter für die "schriftliche und telefonische Teilnehmerbetreuung".

Nachdem die Landtage in NRW (Donnerstag) und Schleswig-Holstein (14. Dezember) jetzt zugestimmt haben, beginnt in Köln die Daten-Jagd für die Umstellung der Rundfunkgebühren auf eine Haushaltsabgabe. Jeder, der Inhaber einer Wohnung ist, soll künftig für ARD und ZDF zahlen — selbst wenn er weder einen Fernseher noch ein Radio besitzt.

Auch etliche Gebührenbefreiungen und -Rabatte werden entfallen. Wer für ein Radio, einen internetfähigen PC oder ein Smartphone bisher maximal 5,76 Euro zahlte, soll künftig den vollen Beitrag von monatlich 17,98 Euro entrichten. Dabei kommen gewaltige Summen zusammen.

14 Landesparlamente haben bereits zugestimmt

Die GEZ zählte 2010 allein im Sendebereich des WDR 6,8 Millionen gebührenpflichtig angemeldete Fernsehgeräte und 7,8 Millionen entsprechende Radios. Nimmt man an, dass für die Differenz von einer Million Nur-Radio-Zahlern künftig der volle Beitrag in die GEZ-Kasse flösse, so läge die Mehreinnahme im WDR-Bereich bei rund 146,6 Millionen Euro.

14 Landesparlamente hatten der entsprechenden Änderung des Rundfunkstaatsvertrages bereits zugestimmt, obwohl ARD, ZDF und ihre GEZ bis heute angeblich nicht berechnen können, wie hoch ihre künftigen Mehreinnahmen ausfallen werden. Die Politiker störte weder, dass künftig die Mehrheit aller Deutschen für ein Programmangebot zahlen soll, das sie gar nicht einschaltet, noch dass das Modell einen eigenwilligen Begriff von Gerechtigkeit verfolgt.

Rund 800.000 Behinderte, die bisher von Gebühren befreit waren, werden ab 2013 zur Kasse gebeten. Wer dauerhaft in einem Zimmer im Heim lebt, zahlt künftig, wenn er Pech hat — wer hingegen rechtskräftig verurteilt in einer Gefängniszelle sitzt, zahlt auf keinen Fall. Auch ausländische Diplomaten sowie die Rundfunkanstalten selbst werden von den Beiträgen befreit.

"Unzulässiger Eingriff in das Grundrech"

Der Verfassungsrechtler und frühere Hamburger Wissenschaftssenator Ingo von Münch (FDP) hält den geplanten Rundfunkbeitrag für verfassungswidrig. Das Modell sei ein "unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, das vom Bundesverfassungsgericht als allgemeine Handlungsfreiheit verstanden wird", sagte von Münch dem Magazin "Focus" und appellierte an die Landtagsabgeordneten in Düsseldorf und Kiel, dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zuzustimmen.

Für NRW-Medienstaatssekretär Jan Marc Eumann (SPD) steht schon vor der heutigen Abstimmung fest: "Beim alten Gebührenmodell war es so, beim neuen wird es nicht anders sein: Irgendjemand wird nach Karlsruhe gehen und es vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen."

Von Münchs Appell wird aus einem anderen Grund fruchtlos bleiben: In allen Landesparlamenten machten sich die Abgeordneten mehrheitlich die Drohungen von ARD und ZDF zu eigen, ohne das neue Beitragsmodell würden die Gebühren 2013 weiter steigen.

Seit Jahren baut die GEZ in jedem Geschäftsbericht die Drohkulisse sinkender "Teilnehmer"-Zahlen und gleichzeitig steigender Gebühren-Befreiuungen bei Hartz-IV-Empfängern auf.

"Beleg für die restriktive Haushaltsführung des ZDF"

Für neun Prozent der Radios und zehn Prozent der Fernsehgeräte erhält die GEZ kein Geld mehr. In der Summe addieren sich Ausfälle und Rabatte auf 850,6 Millionen Euro. "Ohne die Gewährung von Befreiungen könnte die bis 31. Dezember 2010 gültige Monatsgebühr von 17,98 Euro bei unveränderten Gebührenerträgen um rund 11,3 Prozent bzw. 2,03 Euro gesenkt werden", heißt es im GEZ-Geschäftsbericht 2010. Keine dieser Berechnungen berücksichtigt, dass die Mehrheit der Deutschen längst dem Privatfernsehen und den Lokalradios den Vorzug gibt.

Während die Personalausgaben des ZDF zwischen 2004 und 2009 um 9,8 Prozent auf 359 Millionen Euro gestiegen sind, hat sich der Marktanteil des Senders seit 1990 auf rund 14 Prozent nahezu halbiert. ZDF-Intendant Markus Schächter betrachtet die Kostensteigerung bei rasantem Reichweitenverlust als "Beleg für die restriktive Haushaltsführung des ZDF".

Davon kann nach dem aktuellen ZDF-Bericht des Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz keine Rede sein. Vor allem denken die öffentlich-rechtlichen Sender nicht einmal im Ansatz daran, ihre Kosten ihrer verbliebenen Bedeutung im Zuschauermarkt anzupassen.

Das große Datensammeln

Stattdessen rüsten sie die GEZ weiter auf, um mehr Geld einzutreiben. Das große Datensammeln soll bereits am 1. Januar 2012 beginnen. Alle Meldebehörden in Deutschland sollen der GEZ die Daten aller Volljährigen zu einem bundeseinheitlichen Stichtag übermitteln. Der Staatsvertrag, dem SPD, CDU und Grüne heute für NRW zustimmen wollen, soll faktisch alle bisherigen Nicht-Zahler verpflichten, sich ab 1. Januar bei der GEZ zu melden. Die künftige GEZ-Bezeichnung für Bürger lautet "Beitragsschuldner".

Die Kölner Geldeintreiber dürfen die persönlichen Daten vermuteter "Beitragsschuldner" auch "bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen ohne Kenntnis des Betroffenen erheben, verarbeiten oder nutzen". Hauseigentümer werden im Zweifelsfall zur kostenlosen Mitarbeit bei der GEZ verpflichtet. Die Auskunftsrechte der GEZ sind im Zwangsverfahren durchsetzbar.

NRW-Medienstaatssekretär Eumann hält die Bedenken von Datenschützern gegen den neuen Staatsvertrag für übertrieben. Mit dem neuen Modell erspare man sich künftig zudem das größte Ärgernis der bisherigen Rundfunkgebühr: "Der Gebührenbeauftragte, der an der Tür klingelt und in die Wohnung späht — das hört auf."

(RP/csr/top)
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