Gewalt gegen Frauen Diese Codes und Hilfsangebote sollten Sie kennen

Düsseldorf · Gewalt gegen Frauen hat viele Formen. Und obwohl Prävention eine Gesellschaftsaufgabe ist und nicht in der Verantwortung der Betroffenen selbst liegt, gibt es einige Angebote und Codes, auf die Frauen im Ernstfall zurückgreifen können. Kennen sollte sie allerdings jeder.

 Mindestens einmal im Leben wird jede dritte Frau Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt.

Mindestens einmal im Leben wird jede dritte Frau Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zufolge wird in Deutschland jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Dazu zählen für die Bundesbehörde verschiedene Formen der Gewalt, etwa häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, sexualisierte Gewalt (die neben Vergewaltigung, Nötigung und Missbrauch auch sexuelle Belästigung durch Worte oder Gesten umfasst), digitale Gewalt, Stalking, Mobbing, Gewalt im Namen der „Ehre“, Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung und Menschenhandel.

Im Kontext der Gewalt an Frauen wird häufig auch „Täter-Opfer-Umkehr“ oder umgangssprachlich „Victim Blaming“ betrieben. So werden Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, etwa gefragt, welche Kleidung sie trugen oder ob sie getrunken hatten. In Fällen von häuslicher Gewalt ist diese Täter-Opfer-Umkehr zum Teil auch ein internalisierter Prozess: Mit Phrasen wie „Ich habe meinen Mann aber auch provoziert“ werden Schläge, Drohungen und Erniedrigungen somit relativiert und vermeintlich legitimiert.

In Bezug auf Gewalt gegen Frauen gibt es allerdings keine vorausgegangenen Handlungen, die das Gewicht dieser in großen Teilen als Straftaten oder sogar eigenen Straftatbestand eingestuften Übergriffe relativieren könnten. Wenngleich Gewalt gegen Frauen den Zahlen nach zu urteilen ein präsentes gesellschaftliches Problem darstellt, lässt die Häufigkeit des Phänomens kein Infragestellen der Schuld zu.

Zudem können Opfer-Täter-Debatten als Abschreckungsmanöver gewertet werden, die Übergriffe strafrechtlich anzuzeigen. „Viel zu oft schweigen die Betroffenen über das Erlebte: aus Angst, aus Unwissenheit, aus Scham, aus falsch verstandener Loyalität, weil die meisten Taten in den privaten vier Wänden geschehen“, erklärt der gemeinnützige, europäische Verein Weißer Ring auf seiner Website zur Kriminalitätsstatistik von sexualisierter Gewalt. Auch in Bezug auf häusliche Gewalt und andere Formen der Gewalt gegen Frauen vermuten Hilfsangebote daher eine hohe Dunkelziffer bei den Statistiken.

Codewörter für Bar, Festival und Co: Handzeichen und Hilferufe helfen aus der Situation heraus

Obwohl die Frauen selbst nicht verantwortlich für die Prävention der Gewalt gegen sie sind, gibt es einige Angebote, die ihnen den Ausweg aus einer prekären Lage erleichtern sollen. So wurden zum Beispiel einige Codes entwickelt, die in verschiedenen Kontexten auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. Geht eine Frau, die von häuslicher Gewalt betroffen ist, in die Apotheke, Arztpraxis oder Klinik und verwendet das Codewort „Maske 19“, kümmern sich die Mitarbeiter umgehend darum, dass die Polizei verständigt wird.

Wer in einer Bar oder in einem Club sexuell belästigt, bedrängt oder bedroht wird, kann sich mittels des Codeworts „Ist Luisa hier?“ an das Personal wenden. Dieses wird dann helfen, die betroffene Person aus der Situation herauszuholen und ein Taxi oder die Freundinnen oder Freunde anrufen. Ebenfalls verbreitet sind der Getränkename "Angel Shot" und im englischsprachigen Raum der Code „Ask for Angela.“

Wer auf einem Festival belästigt, bedrängt oder bedroht wird, der kann sich mit dem Code „Wo geht’s nach Panama?“ an das Festivalpersonal oder die Security wenden. Die betroffenen Personen werden dann in einen sicheren und abgeschirmten Bereich gebracht und ihnen wird Hilfe zur Seite gestellt. Inzwischen werden auf Festivals auch sogenannte „A-Teams“, also „Awareness-Teams“ eingesetzt, die auf Veranstaltungen Unterstützung gegen sexuelle Übergriffe sowie andere Formen der Diskriminierung anbieten. Und auch sogenannte „Safer Spaces“, also Rückzugsorte für entsprechende Gruppen, werden inzwischen öfter angeboten.

Ebenfalls ein wichtiges Warnzeichen ist das Sign for Help“, das in der Corona-Zeit entstanden ist, ursprünglich, damit Frauen per Video-Call diskret auf häusliche Gewalt aufmerksam machen können. Inzwischen dient das Handzeichen auch analog dazu, auf sexuelle Gewalt aufmerksam zu machen. Bei dem Handzeichen wird zunächst die Handfläche gezeigt und der Daumen wird nach innen angewinkelt. Anschließend werden die Finger über den Daumen gefaltet.

Anlaufstellen und Hilfsangebote für Frauen, die Gewalt erleben

Jedes moderne Smartphone verfügt über Notfallfunktionen, die aktiviert werden können. Damit lassen sich entweder die festgelegten Notfallkontakte kontaktieren, oder der Rettungsdienst rufen. Tatsächlich vermeiden es allerdings viele Frauen, den Notruf zu wählen, aus Angst sich erklären oder rechtfertigen zu müssen. Anlaufstellen wie das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, die unter der Nummer 116 016 erreichbar sind, können in akuten Gefahrensituationen ebenfalls kontaktiert werden. Beraten wird in 18 Sprachen. Auch per Sofort-Chat auf der Website Hilfetelefon können die Helferinnen und Helfer kontaktiert werden.

Der Verein „Frauen gegen Gewalt e.V.“ bietet auf seiner Website eine Suche nach Hilfeportalen vor Ort an. Dort kann unter dem Reiter Beratungsschwerpunkte nach Schlagworten wie „häusliche Gewalt“, „Stalking“ oder „Gewalt im Rahmen von Prostitution“ gefiltert und die Postleitzahl angegeben werden und es werden sofort unzählige Anlaufstellen in der eigenen Umgebung ausgespuckt.

Opfer von sexuellem Missbrauch können sich an das Hilfeportal „Sexueller Missbrauch“ unter der Nummer 0800 22 55 530 wenden. Auch auf der Website können sich Betroffene beraten lassen.

Nützliche Angebote für verschiedene Alltagssituationen

Darüber hinaus gibt es auch Angebote für Frauen, die in Alltagssituationen nutzen können. Denn für viele Frauen ist der Heimweg vor allem nachts nicht unbedingt sicher. Es gab zahlreiche Fälle, in denen Frauen in der Nacht aufgelauert wurde oder wo Frauen verfolgt, vergewaltigt oder sogar getötet wurden. Genau dort setzen Angebote wie das Heimwegtelefon an, das unter der Nummer 0800 22 55 530 zu erreichen ist. Von den Ehrenamtlichen kann man sich telefonisch nachhause begleiten lassen und sollte es zu einem Notfall kommen, verständigt die Hotline Polizei und Rettungsdienst. Einem ähnlichen Prinzip folgt das italienische Start-up „Viola Walk Home.“ Sie begleiten jede Frau, die sich mindestens eine Stunde vor dem Heimweg ankündigen muss, per Video-Call über Instagram nachhause. Begleitet wird der Call von zwei Ehrenamtlichen: eine, die mit der Frau spricht und sie ablenkt und beruhigt und eine weitere, die den Standort der Frau verfolgt und im Notfall die ortsansässige Polizei alarmiert. Es wird auch die Möglichkeit angeboten, den Video-Call aufzuzeichnen, was für potenzielle Täter eine gute Abschreckungsmethode darstellt. Ab dem 15. Juni soll es das Angebot auch als App geben.

Darüber hinaus gibt es etwa die „NoA - Nummer ohne Anruf.“ Diese können Frauen an fremde Männer weitergeben, wenn sie auf deren Avancen nicht eingehen und ihnen im Grunde genommen eine Abfuhr erteilen möchten, allerdings befürchten, dass der Mann darauf mit verbaler oder nonverbaler Gewalt reagieren könnte. Die betroffenen Frauen können sich den Männern als „Noa“ vorstellen und ihnen die Nummer 015753024990 weitergeben. Meldet sich der Mann dann unter dieser Nummer, erhält er eine automatisierte Antwort: „Hey hier ist NoA, eine Person hat sich nicht wohlgefühlt und Dir deswegen diese Nummer gegeben“ Zusammen mit der Nachricht bekommt er Informationen an die Hand, wie er sein Verhalten reflektieren und Situationen dieser Art künftig vermeiden kann.

Wer Opfer vom sogenannten Catcalling wird, also in öffentlichen Räumen verbale, sexuelle Belästigung erfährt, der muss das nicht in sich hineinfressen. Die New Yorker Initiative „catcallsofnyc“ hat 2016 damit angefangen, all die sexistischen Sprüche und Anspielungen, von denen Frauen dem Account auf Instagram per Direktnachricht berichten, mit bunter Kreide auf die Straße zu schreiben. Inzwischen teilen auch über 100 Städte in ganz Deutschland unter verschiedenen Accounts, die mit „catcallsof“ anfangen und dem Städtenamen enden, die Belästigungen aus ihrer Stadt. Im Umkehrschluss können betroffene Frauen die verbalen Auswürfe dort per Direktnachricht hinschicken. Das ist ein wichtiges Zeichen, damit die betroffenen Frauen nicht allein mit der verbalen Gewalt umgehen müssen, sondern der gesellschaftliche Blick darauf gelenkt wird, was Frauen sich alltäglich auf dem Weg zu Arbeit, zum Sport oder ins Restaurant von Männern anhören müssen.

(hf)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort