Verfahren in Darmstadt droht zu platzen Geständnisse im Kinderpornografie-Prozess

Darmstadt (RPO). Neun Männer stehen seit vergangener Woche vor dem Darmstädter Landgericht. Sie sollen über Jahre im Internet massenweise Bilder und Videos ausgetauscht haben, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen. Die Anklage spricht vom bisher größten Kinderpornografie-Prozess in Deutschland. Das Verfahren könnte Mittwoch platzen, ein Verteidiger will eine Schöffin wegen Befangenheit absetzen.

Ludger G. beugt sich auf der Anklagebank nach vorn und schaut seinem Opfer das erste Mal seit Prozessbeginn in die Augen. "Ich entschuldige mich bei dir", sagt der 57-Jährige aus Wald-Michelbach im Odenwald. Seine 19 Jahre alte Nichte begegnet seinem Blick mit unbewegtem Gesichtsausdruck. Sie war sechs Jahre alt, als der Onkel sie erstmals sexuell missbrauchte.

Alle neun Männer im Alter von 30 bis 58 Jahren haben Geständnisse angekündigt. Sie sollen von 2006 bis 2009 in abgeschotteten Chatrooms mehr als 100.000 kinderpornografische Dateien weltweit angeboten haben. Zwei Angeklagte werden auch des Missbrauchs beschuldigt. Ludger G. werden mehr als 20 sexuelle Übergriffe auf Kinder vorgeworfen. "Ich gestehe alle Taten", sagte er leise, aber gut hörbar. Denn im Gerichtssaal war es mucksmäuschenstill geworden.

Erste Vorwürfe schon in 70er Jahren

Der Verteidiger des Mannes hat ein umfassendes, auf die Tatvorwürfe bezogenes Geständnis seines Mandanten für einen der nächsten Prozesstermine angekündigt. Am Dienstag legte der seit 2005 wegen Kindesmissbrauchs vorbestrafte Angeklagte so etwas wie eine Lebensbeichte ab. Geboren im südbadischen Kehl lebte der Betriebsfachwirt in Trier, Frankfurt und dann im Odenwald. In den 1970er Jahren arbeitete er als Erziehungshelfer bei der katholischen Ordensgemeinschaft Don Bosco.

Schon damals war ein Verdacht aufgekommen. In einem Brief an die Staatsanwaltschaft hatte der Orden 1976 mitgeteilt, Vorwürfe gegen Ludger G. nicht aufklären zu können. Ein Junge aus einer Kindergruppe hatte ihn beschuldigt, von ihm am Penis angefasst worden zu sein. Der Angeklagte versicherte am Dienstag dem Gericht, vom Orden seinerzeit nie befragt worden zu sein. "Ich bin ein gläubiger Mensch", begründete der 57-Jährige seine damalige Entscheidung, für den Orden zu arbeiten. "Und ja, ich bin pädophil", fügte er hinzu.

Oberfeldwebel gesteht

Nach den Einlassungen des Wald-Michelbachers gestand auch ein 34 Jahre alter Oberfeldwebel seine Mitgliedschaft in dem Kinderpornografie-Ring. Er habe zehn Jahre lang "wahllos" Kinderpornografie aus dem Internet heruntergeladen und getauscht. Ein Rechnerprogramm habe das automatisiert rund um die Uhr erledigt, einschließlich des Brennens auf CD.

Der vor seiner Verhaftung im September 2009 in der schleswig-holsteinischen Rantzau-Kaserne in Boostedt stationierte Oberfeldwebel sagte, er habe zum Schluss mit zehn Computern 16 Stunden täglich im Internet verbracht. Dass die heruntergeladenen Fotos und Videos auch missbrauchte Säuglinge zeigten, sei ihm "nicht direkt aufgefallen". Als dritter Angeklagter berichtete am Dienstag auch ein 46-Jähriger Leipziger von seinen Vorlieben im Internet. "Ich bin ganz klar pädophil", sagte der Forstarbeiter. Er interessiere sich für "Mädchen von null bis zwölf".

Am Dienstag stellte einer der Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin. Das Gericht will bei der Prozessfortsetzung am Mittwoch (9.00 Uhr) über den Antrag entscheiden. Muss das fünfköpfige Gericht mit einem neuen Schöffen besetzt werden, muss das Verfahren neu aufgerollt werden.

(AP)
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