Analyse Geschiedene hoffen auf die Kirche

Rom · Auf ihrer Weltbischofssynode werden ab morgen Kardinäle und Bischöfe in Rom über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen beraten. Befürchtet wird eine zerstörerische Auseinandersetzung.

Typisch katholische Kirche, werden nun manche denken. Da kommen ab morgen für zwei Wochen 250 Kardinäle, Bischöfe und Priester zur Weltbischofssynode nach Rom, um sich über eine Sache den Kopf zu zerbrechen, die bereits so lange theologisch erörtert wird, dass darüber mancherorts praxisnah schon länger entschieden wurde: über den Umgang mit den sogenannten wiederverheirateten Geschiedenen.

Dabei ist das Beratungsanliegen der ersten Bischofssynode unter Papst Franziskus deutlich weiter gefasst: Es geht um die "pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung". Und dazu hat es umfangreiche Vorarbeiten gegeben. In einer ungewöhnlich breit angelegten Umfrage hatte der Vatikan die Gläubigen um ihre Meinung zur Sexualethik gebeten. Weniger überraschend war freilich das Ergebnis: Die meisten Gläubigen insbesondere aus den westlichen Ländern stehen danach der kirchlichen Moralposition kritisch gegenüber. Deutlicher formuliert: Zwischen der Kirchenlehre und der gelebten Sexualität der Katholiken besteht eine tiefe Kluft. Von einer neuen Art der Kirchenspaltung ist schon die Rede.

Natürlich hat all das auch mit dem säkularen Wertewandel der Gesellschaft zu tun. Doch ließe sich aus dieser moralischen Not noch längst keine Tugend machen, würde die Kirche dieser Entwicklung einfach folgen und dies mit dem Hinweis auf die stark gestiegenen Scheidungsraten untermauern.

Wie umfassend die Problematik ist und wie weitreichend die Folgen einer Entscheidung sein können, zeigt sich vor allem im Umgang mit jenen Christen, die sich haben scheiden lassen und später standesamtlich eine neue Ehe eingegangen sind. Damit haben sie das biblische Scheidungsverbot missachtet und ein Sakrament gebrochen. "Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen", hat Jesus gesagt. Der Ehebund ist ein Zeichen des Gottesbundes. Und die unverbrüchliche Treue ein Abbild der Treue des Herrn.

Wiederverheiratete leben demnach in einem Zustand der schweren Sünde und sind nach dem Kirchenrecht von Kommunion und Buße ausgeschlossen. Denn weil die Ehe als ein Sakrament des Heils gilt, bleibt sie verknüpft mit Buße und Eucharistie.

Um eine neue Perspektive zu eröffnen, bedarf es mehr als einer Art Kirchenvolksbegehren. Und auch mehr als des mutigen Vorpreschens einer Diözese. Gerade einmal ein Jahr ist es her, da das Seelsorgeamt in Freiburg eine Handreichung für Seelsorger verschickte, wie Wiederverheirateten Sakramente gewährt werden könnten. Viel beachtet war dieses Papier; hilfreich aber war es weniger. Denn es rief beharrende Kräfte - gerne auch Rigoristen genannt - auf den Plan, für die der Umgang mit Wiederverheirateten längst zu einem gewichtigen Symbol für die Ausrichtung der römisch-katholischen Kirche insgesamt geworden ist.

Und so kommt es jetzt, dass fünf Kardinäle - unter ihnen der Präfekt der Glaubenskongregation, der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller - wenige Tage vor der Bischofssynode ein Buch zum Thema veröffentlicht haben. "In der Wahrheit von Christus bleiben", heißt es - und diese Wahrheit bedeutet für die geistlichen Autoren, dass Scheidung und Wiederheirat "unzweideutig" verboten sind und bleiben. Der Ton der theologischen Scharmützel vorab sowie die Versuche der Einflussnahme haben mittlerweile eine derartige Dynamik angenommen, dass selbst der emeritierte und diplomatisch geschickte Kurienkardinal Walter Kasper behauptet: "Einige wollen einen theologischen Krieg bei der Synode." Auch diese Wortwahl spiegelt, dass manche mit der Debatte eine Art Existenzfrage der Kirche verbinden.

Dabei muss die Diskussion, die das Verhältnis von Kirchenrecht und schuldbelasteter menschlicher Existenz auslotet, keineswegs in eine Sackgasse führen. Der Münsteraner Theologe Udo Friedrich Schmälzle hat sich zuletzt dieses Problems intensiv angenommen und dabei in die Kirchengeschichte geschaut. So haben sich im Altertum Bischöfe im Umgang mit pastoral Gefallenen für eine sogenannte via media entschieden, einen Mittelweg. Nach einer Zeit der Buße und der Klärung konnten Sünder wieder zur Kommunion zugelassen und so in die Gemeinschaft wieder integriert werden. Versöhnung statt Ausgrenzung, bei der es nicht um die Erfüllung eines Ideals geht, sondern um die Geste der Barmherzigkeit.

Dazu hat der systematische Theologe Eberhard Schockenhoff konkrete Schritte entwickelt. Danach muss am Beginn ein Akt der Reue stehen sowie das Eingeständnis der objektiven Schuld, die Ehe missachtet zu haben. Nach einer angemessenen Zeit der Buße könnte die sakramentale Absolution stehen. Das hört sich beinahe schon zu pragmatisch an, insbesondere vor dem Hintergrund einer Diskussion, die zu oft dogmatisch geführt wird.

Dagegen versteht sich die pastorale Alternative auch als eine christliche Haltung, mit der dokumentiert wird: Wenn geschiedene und wiederverheiratete Christen sich ihrer Schuld bewusst sind und um Vergebung bitten, "leben sie nicht von Gott getrennt und keineswegs in Todsünde". Dahinter steht die auch von Priesterinitiativen geäußerte einfache und menschliche Hoffnung, dass es für zivil geschiedene und wiederverheiratete Gläubige einen Neuanfang in der Liebe und der Partnerschaft geben muss.

Für einen barmherzigen pastoralen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen haben in einem Hirtenbrief auch die Kardinäle Walter Kasper und Karl Lehmann geworben. Dieses Dokument ist nun schon mehr als 20 Jahre alt. Papst Franziskus hat also keine neue Debatte angestoßen. Aber seine erste Bischofssynode könnte den weiteren Weg seines Pontifikats weisen.

(RP)
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