Amoklauf von Ansbach Georg R. datierte Testament auf 9/11

Düsseldorf/Ansbach (RPO). Der 18-jährige Amokläufer von Ansbach hatte ein Testament geschrieben und es auf den Jahrestag des Terroranschlags auf das World Trade Center in New York datiert. Außerdem wurde am Freitag bekannt, dass er stärker bewaffnet war als bisher bekannt. Unterdessen wurde bekannt, dass die beiden schwerverletzten Amok-Opfer außer Lebensgefahr sind.

 Dieses undatierte Bild zeigt den Täter. Mitschüler beschreiben ihn als Einzelgänger.

Dieses undatierte Bild zeigt den Täter. Mitschüler beschreiben ihn als Einzelgänger.

Foto: ddp, ddp

Die beiden Schülerinnen, die beim Anschlag auf das Carolinum-Gymnasium in Ansbach schwer verletzt wurden, sind nach Angaben des Klinikums Nürnberg außer Lebensgefahr.

Das nach einem Axthieb gegen ihren Kopf am schwersten verletzte Mädchen sei nach einer mehr als siebenstündigen Operation auf dem Weg der Besserung, teilte die Klinik am Freitag Nachmittag mit.

Das andere Mädchen sei mit Brandwunden auf der Intensivstation. Die behandelnden Ärzte seien mit dem Gesundheitszustand ihrer jungen Patientinnen sehr zufrieden. Die Eltern hätten ihre Kinder schon besuchen können.

Testament in der Wohnung gefunden

Das handschriftliche Testament sei in der Wohnung des 18-Jährigen gefunden worden und trage das Datum 9/11, sagte Staatsanwältin Gudrun Lehnberger am Freitag in Ansbach. Auf einem Kalenderblatt vom Donnerstag, 17. September, stehe "Apocalypse today". Aus dem Testament ergebe sich kein Hinweis auf den Amoklauf. Es seien auch keine konkreten Drohungen gegen bestimmte Personen gefunden worden.

"Ich kann bestätigen, dass sich der Täter in psychotherapeutischer Behandlung befunden hat", sagte die Staatsanwältin. Wie lange, sei noch unklar. "Zum Motiv des Täters kann ich noch keine sicheren Auskünfte geben. Wir müssen die Ermittlungen hierzu abwarten", sagte Lehnberger. Der Computer des Jungen sei beschlagnahmt worden. Hinweise auf Mittäter hätten sich nicht ergeben.

Rektor Franz Stark sagte, der Täter habe als in sich gekehrter, introvertierter Schüler gegolten. Er habe sich für die Klassen-Abschlussfahrt nach Rom mit insgesamt 66 Schülern angemeldet. "Sie wären normalerweise gestern losgefahren und eine Woche in Rom geblieben", sagte der Rektor.

Amokläufer hatte fünf Bransätze

Weiterhin teilte die Oberstaatsanwältin mit, dass Georg R. nicht nur drei, sondern mindestens fünf Molotow-Cocktails bei sich hatte. Sie erklärte, der Amokläufer habe in jedes Klassenzimmer zwei Brandsätze geworfen. Außerdem sei der 18-Jährige mit drei feststehenden Messern, einem Butterfly-Messer und einem Beil mit 40 Zentimeter Stiellänge bewaffnet gewesen.

Die Ermittler vernähmen jetzt alle Schüler und Lehrer, die unmittelbar betroffen oder Zeugen gewesen seien, sagte die Staatsanwältin. Es handle sich um rund 30 Personen. Auch am Wochenende gingen die Vernehmungen weiter. Die Schule werde erst nächste Woche wieder geöffnet. Die Spurensicherung sei noch nicht abgeschlossen, sagte Lehnberger. Den schwer verletzten Täter selbst konnten die Ermittler noch nicht zu seinem Motiv befragen. "Wann er dies sein wird, ist noch offen", sagte Lehnberger.

Wer war Georg R.?

Einiges weiß man aber schon von dem Amokläufer: Bei vielen Amoktätern der vergangenen Jahre scheint sich ein bestimmtes Muster abzuzeichnen. Die Täter waren männlich, jung und sozial isoliert. In vielen Fällen scheint auch Mobbing durch Mitschüler eine Rolle gespielt zu haben. Auch das Täterprofil des Amokläufers von Ansbach scheint wieder in diese Muster zu passen: Der 18-Jährige war zurückhaltend, stand auf dem Pausenhof fast immer allein, wie Mitschüler berichten.

Offenbar hat auch diese Tat mit sozialer Zurückweisung zu tun. Am Tattag sollte die Klasse des Gymnasiasten nach Angaben der "Bild" der zu einer Klassenfahrt aufbrechen, niemand wollte sich ein Zimmer dem Außenseiter teilen. "Wir sehen in solchen Fällen immer wieder Zurückweisungen von Mädchen und persönliche Krisen", so der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann gegenüber "Spiegel Online".

Eines ist bei dieser Tat jedoch anders als bei fast allen vorangegangenen Amokläufen. "Das ist der erste überlebende Amokläufer, an den ich mich überhaupt erinnern kann", so der Kriminologe Christian Pfeiffer gegenüber dem Nachrichtensender "n-tv". Die Krimonologen hoffen daher über diesen Fall durch direkte Aussagen des Täters mehr zu erfahren als bei vergangenen Amoktaten.

Düstere Briefe gefunden

Oberflächlich betrachtet gibt es keine besonderen Auffälligkeiten: Georg R. lebt gemeinsam mit seinen beiden jüngeren Schwestern hauptsächlich bei seiner Mutter in einem gepflegten Mehrfamilienhaus am Rande der Stadt.

Sein Eltern sind geschieden, der Vater wohnt in einem unscheinbares Einfamilienhaus und malt Aquarelle. Doch hinter der Fassade der bürgerlichen Existenz brodelt es: Aufschlussreich sind vor allem die Briefe, die im Zimmer des Täters gefunden wurden. Nach Angaben der Polizei lassen diese auf die Tat schließen. Darin fabulierte Georg unter anderem von einer bevorstehenden Apokalypse.

Staatsanwältin Gudrun Lehnberger bestätigte am Freitag auf ddp-Anfrage in Ansbach außerdem Berichte, dass der 18-Jährige in psychotherapeutischer Behandlung war. Weitere Details sollten am Mittag (12.30 Uhr) auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben werden.

Der Täter inszenierte sich offenbar regelrecht in seiner Rolle als Ausgegrenzter. Laut "Bild" kam er stets mit einem schwarzen Mantel zur Schule, auch am Tag des Amoklaufs. Offenbar passte das Selbstbild des Täters nicht zur Realität. In der fünften und sechsten Klasse habe "versucht den Anführer zu spielen", schreibt die "Bild". Als Gleichaltrige diese Rolle nicht akzeptierten, habe er aggressiv reagiert und sich in der Folge zunehmend zurückgezogen.

Täter soll aus Koma geweckt werden

Der von Streifenpolizisten niedergeschossene Amokläufer soll am Freitag Nachmittag im Krankenhaus aus dem künstlichen Koma geweckt werden. Eine Vernehmung sei aber noch nicht vorgesehen, sagte der Staatsanwalt. Allerdings solle der Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen werden.

Die Polizei habe auch die Eltern des Jungen befragt. Sie hätten allerdings von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Eine jüngere Schwester des Täters soll ebenfalls Schülerin des Carolinums sein. Der Unterricht an dem humanistisch-musischen Gymnasium fiel am Freitag aus.

(sdr/csi/DDP)
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