Der Mörder verschonte kein Mitglied der Familie Fünffach-Mord von Augsburg: Täter handelte offenbar im Blutrausch

Augsburg (rpo). Nach dem blutigen Fünffach-Mord von Augsburg geht die Polizei offenbar von einem Familiendrama aus. Der 37-jährige Ehemann einer der getöteten Frauen hat sich womöglich Richtung Türkei abgesetzt und wird nun international gesucht.

Auch am Tag nach der Entdeckung des grausigen Fünffachmords im Augsburger Norden herrscht bei der 32-köpfigen Sonderkommission Rätselraten über die Hintergründe der Tat: "Es gibt sehr viele Spekulationen, aber dazu können wir uns nicht äußern", betont Polizeisprecher Walter Beck.

Sicher ist: Der Mörder hat in seinem Blutrausch in der Doppelhaushälfte niemanden aus der türkischen Familie verschont: Auch nicht die siebenjährige Ela in ihrem Kinderzimmer.

Sie wurde ebenso brutal erstochen wie ihre 29-jährige Mutter Aylin, ihre 53-jährige Oma Melahat und ihr Onkel Aykin. Auch ein tschechischer Freund des 25-Jährigen musste seinen Besuch bei der Familie mit dem Leben bezahlen. Ermittler berichteten von einem Bild des Grauens, das sich in dem Haus geboten habe. Im Erdgeschoss, im Keller, im Kinderzimmer, im Obergeschoss - überall stießen die Beamten und Sanitäter auf Blut überströmte Leichen.

"Massive Stichverletzungen" bei den fünf Opfern

Die Opfer seien durch "massive Stichverletzungen zu Tode" gekommen, lautet die Sprachregelung der Augsburger Kripo, die sich nicht auf weitere Details einlassen will. Offenbar wurden alle fünf mit dem selben Messer umgebracht, die Tatwaffe hatte die Polizei am Dienstag nach eigenen Angaben aber noch nicht gefunden.

Am Dienstag lief vor allem die Fahndung nach dem Ehemann der ermordeten 29-Jährigen auf Hochtouren. Offenbar flog der gesuchte 37-jährige Ali G. am Montag am Münchner Flughafen in die Türkei, wie die Beamten ermittelten. An seiner Arbeitsstelle war der Arbeiter am Montag nicht erschienen.

Ob er der Verantwortliche für das Blutbad sei, könne man so früh noch nicht sagen, betont Polizeisprecher Beck. "Es gibt einen Anfangsverdacht gegen Herrn G., aber mehr auch nicht. Keinen dringenden Tatverdacht." Die Ermittler beantragten jedoch noch am Montagabend Internationalen Haftbefehl und schalteten umgehend ihre Kollegen in der Türkei ein.

G.'s Flucht deute auf eine Tatbeteiligung hin, heißt es in Polizeikreisen. Von einem möglichen Eifersuchtsdrama oder verletzter Ehre ist die Rede, nachdem sich die 29-Jährige auch von ihrem zweiten Ehemann getrennt habe. Ein anderer Polizeibeamter betont jedoch: "Wir ermitteln in alle Richtungen."

G. wohnte offiziell noch bis zuletzt in der Doppelhaushälfte im Stadtteil Bärenkeller. Möglicherweise war der Gesuchte nach der Trennung von seiner Frau bei Bekannten untergekommen, zumindest hatte er noch einen Hausschlüssel und war dort noch häufig zu Gast.

Bei der Polizei sei der Verdächtige ebenso wie die Familie ein unbeschriebenes Blatt gewesen, sagt ein Polizeisprecher. Die in ihrem Kinderzimmer erstochene siebenjährige Ela stammte aus der ersten Ehe der ermordeten 29-Jährigen. "G. war nicht der Vater", sagt ein Polizeisprecher.

Bislang ist auch die genaue Tatzeit nicht geklärt. Zeugen hätten zwar angeben, zuletzt am Sonntag Angehörige der Familie lebend gesehen zu haben. "Die Hinweise aus der Bevölkerung gehen aber zum Teil noch ziemlich auseinander und widersprechen sich", betont Polizeisprecher Beck.

Im Schlaf überrascht?

Als ein Freund der Familie am Montagmittag gegen 12.30 Uhr die erste Leiche entdeckt hatte, waren die Rollläden noch herunter gelassen. Es gebe jedoch keine Hinweise, dass der Mörder seine Opfer im Schlaf überrascht haben könnte, sagt Beck. Die Ermittler seien auf die Obduktionsergebnisse der Münchner Rechtsmedizin angewiesen.

Die Gerichtspathologen begannen aber erst am Nachmittag mit der Sektion, mit Ergebnissen wurde erst am Mittwoch gerechnet. Die Augsburger Kripo hat unterdessen 32 ihrer Beamten für die Sonderkommission "Ela" abgestellt, die nach dem ermordeten Kind benannt wurde.

Auch den gesamten Dienstag waren die Ermittler in der Augsburger Hirschstraße präsent. Hier reiht sich ein Siedlerdoppelhäuschen an das andere. Die bescheidenen Gebäude wurden nach dem Krieg von Vertrieben gebaut und gleichen abgesehen von ihrem Renovierungsgrad wie ein Ei dem anderen.

Viele der Erbauer wohnen noch in ihren Eigenheimen. Das Haus mit der Nummer 96 war vergangenes Jahr frei geworden, im Sommer war die türkische Familie dort eingezogen.

Nur ein Rollladen ist dort hoch gezogen: Ein kleines weißes Pegasus-Pferdchen baumelt friedlich an einem Saugnapf an der Fensterscheibe, während im Zimmer dahinter die Beamten auch am Dienstag noch damit beschäftigt sind, die Spuren des Grauens zu sichern.

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