Billig-Implantate Frauen klagen gegen Tüv Rheinland
Köln · Im Skandal um den Verkauf von Billig-Brustimplantaten aus Frankreich will der Anwalt von vier betroffenen Frauen den Tüv Rheinland verklagen. Der Tüv habe die Produkte des Herstellers PIP nicht seriös bewertet. Der Tüv war lange für die Zertifizierung der jetzt zurückgerufenen Implantate zuständig. Der Tüv hatte PIP bereits selbst angezeigt.

Skandal um PIP-Brustimplantate
Der Anwalt Laurent Gaudon teilte mit, er werde die Anzeige Ende nächster Woche in der südfranzösischen Stadt Toulon einreichen. Er vertritt vier französische Frauen, denen die Billig-Brustimplantate der Firma PIP eingesetzt wurden. Die Anzeige richtet sich gegen das Unternehmen, ihre Chirurgen und den Tüv Rheinland. Der Tüv hatte die Produktion der Silikoneinlagen der Firma PIP ursprünglich zertifiziert. Allerdings hatte die Firma das medizinische Silikongel später durch ein Billig-Gel ersetzt, weshalb der Tüv selbst schon vor Monaten Anzeige gegen die Firma PIP erstattete und bereits 2010 sein Zertifikat zurückgezogen hatte.
Der Tüv Rheinland hatte bereits vor Monaten mitgeteilt und dies in der vergangenen Woche bekräftigt, dass er von der Firma PIP "nachweislich zum Schaden der betroffenen Frauen umfassend und fortgesetzt getäuscht worden" sei, weil Änderungen an der Silikonart nicht mitgeteilt worden seien. Die Firma PIP existiert seit 2010 nicht mehr.
Das Billig-Silikongel, das für Entzündungen und von den Opfern sogar für Krebsfälle verantwortlich gemacht wird, war weltweit in hunderttausenden Brustprothesen verwendet worden. In einem bisher einzigartigen Aufruf empfahlen die französischen Behörden rund 30.000 Frauen in Frankreich, sich die PIP-Silikonkissen vorsichtshalber wieder entfernen zu lassen, auch wenn es keinen Beweis für ein Krebsrisiko gebe.
Der Anwalt der vier Frauen, die sich ihre Implantate noch nicht entfernen haben lassen, bei denen aber Risse in den Silikonkissen festgestellt wurden, hielt den Chirurgen vor, sie hätten ihre Informationspflicht vernachlässigt. Sie hätten außerdem "wissen müssen, dass diese Prothesen brüchig waren", sagte er. Gegen die staatliche französische Medizinprodukte-Aufsicht Afssaps wollte der Anwalt indes nicht rechtlich vorgehen. Zur Begründung gab er an, dass sich die Behörde auf den TÜV verlassen habe.
In Deutschland wurden bislang 19 Fälle von gerissenen PIP-Implantaten, aber keine Krebserkrankungen, bekannt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rät deutschen Frauen mit Silikonbusen, "zur individuellen Risikoabwägung" mit ihrem Arzt zu sprechen.
Der Gründer des Unternehmens PIP hat unterdessen zugegeben, dass er für die Produktion von Prothesen nicht zugelassenes Silikon verwenden ließ. Von dem eingesetzten Kunststoff gehe allerdings keine besondere Gefahr für die Gesundheit aus, ließ der Franzose Jean-Claude Mas über seinen Anwalt erklären. Alle Silikongele könnten im Körper zu Irritationen führen, sagte Verteidiger Yves Haddad der AFP. Vorwürfe über eine hohe Reißanfälligkeit der Implantate seien nicht belegt.
Als Grund für die Verwendung von nicht zugelassenem Billig-Silikon nannte Haddad das Gewinnstreben seines Mandanten. "Das ist vielleicht erbärmlich, aber so ist es nun einmal", erklärte er in einem Gespräch mit der französischen Tageszeitung "Libération" (Mittwoch). "Wir leben in einer kapitalistischen Welt." Mas werde sich vor der Justiz verantworten. Er sei zuhause in Frankreich und erhole sich von einer Operation.
Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass Mas untergetaucht sein könnte. Wegen Trunkenheit am Steuer in Costa Rica steht der 72-Jährige seit Monaten auf der Fahndungsliste von Interpol. Der französischen Justiz liegen zudem mehr als 2000 Anzeigen von Frauen mit PIP-Implantaten vor. Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln wegen schweren Betrugs und fahrlässiger Tötung.
Die US-Gesundheitsbehörde (FDA) hatte PIP-Produkte schon vor zwölf Jahren aufgrund von Mängeln kritisiert. Anfang 2000 habe ein Inspektor eine französische PIP-Fabrik besichtigt und unbefriedigende Ergebnisse mitgebracht, bestätigte FDA-Sprecherin Erica Jefferson der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag. Danach habe man Firmengründer Mas in einem Schreiben auf mehrere Produktionsfehler und Mängel hingewiesen.