Aschewolke durch Vulkanausbruch Flughäfen bleiben dicht — Airlines sind sauer

Berlin/Langen (RPO). Der deutsche Luftraum bleibt mindestens bis Sonntagabend gesperrt. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) verlängerte am Morgen das Flugverbot bis 20 Uhr. Dann wird die Sperrung des bundesweiten Luftverkehrs nach dem Vulkanausbruch auf Island genau 48 Stunden andauern. Betroffen sind weiterhin alle 16 internationalen Flughäfen sowie die Regionalflughäfen.

Der Flugsicherung zufolge ist es nach den derzeit vorliegenden Informationen unklar, wie lange die Flugzeuge am Boden bleiben müssen. Die ungünstigen Nordwestwinde, die die Aschewolke von Island nach Deutschland lenken, werden laut Meteorologen auch in der nächsten Woche anhalten.

Sogenannte Flüge nach Sichtflugregeln (VFR-Flüge) sind nach wie vor möglich. Die Piloten fliegen dabei ihre leeren Maschinen auf eigene Gefahr. Die Deutsche Lufthansa hatte am Samstag bereits mehrere Flugzeuge von München nach Frankfurt am Main überführt. Die DFS erwartete am Sonntag weitere solcher Überführungsflüge dieser und anderer Airlines. Die Fluggesellschaften wollen ihre Maschinen an die Flughäfen bringen, an denen sie nach Ende des Flugverbots vorrangig benötigt werden.

Fluggesellschaften kritisieren Flugverbot

Die zwei größten deutschen Fluggesellschaften äußetenn Zweifel am Sinn des Flugverbots. Der Chef von Air Berlin, Joachim Hunold, kritisierte in der "Bild am Sonntag", die Schließung des Luftraums beruhe lediglich auf Computersimulationen eines englischen Instituts. "Es ist in Deutschland noch nicht mal ein Wetterballon aufgestiegen, um zu messen, ob und wie viel Vulkanasche sich in der Luft befindet", sagte er.

Die Lufthansa verwies auf zehn nur mit Piloten besetzte Überführungsflüge am Samstag. "In Frankfurt wurden die Maschinen von unseren Technikern untersucht. Weder auf den Cockpitscheiben, an der Außenhaut noch an den Triebwerken fanden sie auch nur den kleinsten Kratzer", sagte Konzernsprecher Klaus Walther dem Blatt. Das ausschließlich auf Computersimulationen beruhende Flugverbot verursache einen volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe. Künftig müssten vor einem Flugverbot verlässliche Messungen vorliegen.

Auch Air Berlin teilte mit, die Fluggesellschaft habe im innerdeutschen Raum Positionierungsflüge unter Sichtflugbedingungen auf der momentan zulässigen Flughöhe von 3.000 Meter durchgeführt. Zwei Airbusse konnten problemlos von München nach Düsseldorf überführt werden, einer weiterer wurde von Nürnberg nach Hamburg positioniert, teilte die Gesellschaft am Sonntag mit. Die technische Überprüfung der Flugzeuge nach der Landung habe keinerlei Beeinträchtigungen gezeigt.

Statt der üblichen 22.000 Flüge gab es in Europa am Samstag nur rund 5.000, wie die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel mitteilte. Das sind weniger als ein Viertel der an Samstagen üblichen Flugbewegungen. Frei von Asche war noch der Luftraum über Portugal, Spanien, Süditalien, Bulgarien und südlich dieser Länder, der Luftraum über Norditalien wurde dagegen gesperrt.

Aschewolke wird wohl länger bleiben

Die Meteorologen machten Reisenden wenig Hoffnung auf schnelle Besserung. Die vorherrschenden schwachen Windströmungen und die nach wie vor große Menge an Gletschereis an dem ausgebrochenen Vulkan in Island ließen für die kommenden Tage keine großen Veränderungen der Aschewolke erwarten. Nach Angaben von Graeme Leitch vom britischen Wetterdienst reicht die Aschesäule über dem Eyjafjallajökull mittlerweile bis in eine Höhe von auf 9.150 Meter. Die Vulkanaktivität intensiviere sich weiter.

Deutschland befinde sich mitten in einem Hochdruckgebiet, das von den Azoren nach Mitteleuropa reiche, sagte Helmut Malewski vom Deutschen Wetterdienst. Die Aschewolke werde so weder durch Luftbewegungen verteilt, noch durch Regen ausgewaschen. Zwar gerate Deutschland zu Wochenbeginn zunehmend unter Tiefdruckeinfluss. Die Nordwestströmung, die die Asche momentan von Island nach Mitteleuropa leitet, wird dem Meteorologen zufolge jedoch auch in der nächsten Woche anhalten.

Sperrung bis Beginn nächster Woche befürchtet

Der Luftraum über Deutschland könnte sogar bis zum Beginn der neuen Woche gesperrt bleiben. "Es sieht für Sonntag schlecht aus", sagte eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS) mit Blick auf die ungünstigen Wetterbedingungen. Denn die für die Flugzeugturbinen gefährliche Aschewolke bleibt weiter über Deutschland. Die Sperrung betrifft sowohl die 16 internationalen Flughäfen in Deutschland als auch die Regionalflughäfen.

Die Passagiere haben sich offenbar auf die Situation eingestellt. Auf den Berliner Flughäfen gestaltete sich die Lage nach Angaben eines Sprechers entspannt. Auch Deutschlands größter Flughafen in Frankfurt am Main meldete keine größeren Probleme, obwohl dort bis zu 1500 Fluggäste teils seit der Nacht zum Freitag festsaßen.

Auch der Düsseldorfer Airport, einer der großen Umsteigeflughäfen in Deutschland, zeigte sich verwaist. Während die Taxifahrer an den Flughäfen Umsatzeinbrüche beklagten, verzeichneten die Mietwagenstationen Hochsaison.

Merkel in Bozen, Guttenberg am Bosporus

Prominentestes "Opfer" des Flugchaos in Deutschland ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie ist auf Odyssee durch Europa und zurzeit in Italien.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) musste aus Afghanistan kommend einen unplanmäßigen Aufenthalt am Bosporus einlegen. Wie Guttenberg von Istanbul nach Berlin kommt, wo er am Montag mit dem NATO-Befehlshaber der ISAF-Truppen in Afghanistan einen Gesprächstermin hat, ist offen. Derweil kündigte der italienische Wirtschaftsminister Claudio Scajola an, zur Eröffnung der Hannover Messer am Sonntag notfalls mit dem Auto anzureisen, sollte die Aschewolke einen Flug verhindern.

Flughäfen fordern Aufhebung des Nachtflugverbotes

Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) eine befristete Aufhebung des Nachtflugverbots gefordert. Damit sollten im Ausland wartende Passagiere so schnell wie möglich zurückkommen können, sagte Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Politiker von CDU, SPD und FDP unterstützten die Forderung.

Unterdessen bereiteten die ersten Fluggesellschaften mit sogenannten Überführungsflügen, bei denen nur die Piloten an Bord sind, eine mögliche Wiederaufnahme des Flugbetriebes an den großen Luftdrehkreuzen vor.

Maximalen Zuspruch verzeichnete derweil die Deutsche Bahn. Alle verfügbaren Züge seien im Einsatz, zudem stünden zusätzliche Mitarbeiter auf den Bahnhöfen bereit, teilte das Unternehmen mit. Mit Beginn der Luftraumsperrung waren die Reisenden kurzerhand auf diese Alternative ausgewichen. Bei den Charterfluggesellschaften waren Tausende Mitarbeiter im Einsatz, um in den Haupturlaubsgebieten von Flugstreichungen und -verschiebungen betroffenen Gäste zu versorgen.

(AFP/DDP/top)
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