Familientherapeutin gibt Tipps für Krisensituationen So vermeiden Sie Stress an den Weihnachtstagen

Düsseldorf · Weihnachten – das Fest der Liebe. Doch dann donnert am Festtag der Patenonkel mitsamt eines Billardtischs für den kleinen Neffen ins Wohnzimmer. Ende der Besinnlichkeit. Wie geht man damit um? Eine Therapeutin gibt neun Tipps für ein stressfreies Fest.

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15 günstige und persönliche Geschenke

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Es könnte so schön sein: Alle Einkäufe sind rechtzeitig getan, die Hütte glänzt, das Essen duftet, der Baum strahlt, und die gesamte Familie auch. Doch gibt es auf dem Weg zum friedlichen und entspannten Festtags-Zusammensein die ein oder andere Hubbelpiste, die kommunikativ oder anders gemeistert werden muss.

Solche Stolpersteine auf dem Weg zur Freude können sein: Vor Aufregung tobende Kindergartenkinder. Partner, die spontan am „Heiligen Morgen“ ihre Weihnachtsgeschenke besorgen. Die eigene Enttäuschung darüber, dass man alleine in der Küche steht und das Essen vorbereitet. Familienangehörige, die trotz kürzester Anfahrtsstrecke stets als Letzte und dann auch noch zu spät kommen. Und schließlich auch Patenonkel, die mit ihren Weihnachtsgeschenken derweil ins Überdimensionale verfallen. Fragt sich also: Wie kann man das abstellen? Wo liegt eigentlich das Problem?

„Die eigene Erwartungshaltung ist nicht kompatibel mit all den Bedürfnissen, die gedeckt werden sollen“, sagt Selma Jung-Hoff, systemische Familientherapeutin und Supervisorin aus Bonn. Denn kleine Kinder haben andere Bedürfnisse als Teenager. Die Vorstellungen von organisierenden Eltern sind anders als die der eingeladenen Großeltern oder erwachsenen Geschwister.

Die kurze Lösung für alle damit verbundenen Probleme lautet: „Herausfinden, was man selbst für ein gelungenes Fest braucht, gut kommunizieren und bestmöglich organisieren“, sagt die Bonner Familientherapeutin. Wie kommuniziert man aber „gut“, und was macht eine vernünftige Organisation aus? Jung-Hoff hat dazu folgende Tipps auf Lager:

1. Das Orga-Team zusammenstellen

Vieles lässt sich leichter an, wenn es rechtzeitig angeleiert wird und damit für alle klar ist. Aufgaben rund um Besorgungen und Hilfestellungen rund um die Festtage kann man auch Wochen vorher schon besprechen und verteilen. Wo wird in diesem Jahr gefeiert? Wer bringt was mit? Wem möchte ich etwas schenken und was soll es sein? Wer kauft ein? Wer stellt den Baum auf? Welche Aufgaben kann man an ältere Kinder delegieren? Das muss nicht auf den letzten fünf Metern zum Fest geklärt werden, sagt die Bonner Coachin.

2. Den finden, der es besser kann

Lichterkette in den Baum klöppeln, Geschenke einpacken – für Selma Jung-Hoff waren das in jedem Jahr dieselben alten Stressfaktoren. „Darum habe ich meinen Mann gebeten, es zu übernehmen“, sagt sie. Manche Dinge können andere besser als man selbst. Die neue Herausforderung: Mit dem zufrieden zu sein, wie es andere machen. „Ich würde Geschenke anders einpacken, aber mein Mann macht es in aller Ruhe und unheimlich gerne“, sagt Jung-Hoff.

3. Nicht darauf setzen, dass andere hellsehen

In der Küche zu stehen und still schweigend darüber zu schmollen, dass niemand mit anpackt, obwohl auch der Flur aufgeräumt werden will und noch gestaubsaugt werden sollte, ist schlecht, weil es beim Gegenüber hellseherische Fähigkeiten voraussetzt. Jung-Hoff kennt das: „Viele Jahre lang waren wir in unserer Familie mit 20 Leuten an Weihnachten zu Gast bei meiner Mutter. Die hat sich lange nicht getraut zu sagen, dass ihr das alles irgendwann zu viel wurde“, sagt die Therapeutin. Es kommt darauf an, wie Kommunikation gelernt wurde. Wer immer runterschluckt, findet schwer Lösungen. Sprechenden hingegen kann geholfen werden. „Später haben wir die Essensvorbereitung aufgeteilt, und jeder hat etwas mitgebracht. Schon war der Stress auf mehrere Schultern verteilt.“

4. Sich vorstellen, dass der Grinch kommt

Frischer Schnee deckt das Grau der Straßen und die nackte Landschaft zu, alle sind hübsch gekleidet und sehen toll aus, unvorstellbar schöne Geschenke warten unterm Baum. Nicht immer sehen die mit dem Fest verbundenen Erwartungen aus wie es in Christmas-Filmen aus Hollywood scheint. „Vieles ist von dem abhängig, was man selbst aus der eigenen Kindheit mitgenommen hat. Erinnern Sie sich daran und überlegen Sie, welches Gefühl Sie gerne weitergeben möchten“, rät Jung-Hoff. Ihr Tipp: Sich vorstellen, dass morgen der Grinch kommt oder das letzte Weihnachten wär. Was wäre dann besonders wichtig.

5. Den größtmöglichen Reinfall formulieren

Oft hindern uns alljährliche Routinen daran, von vornherein etwas zu verändern. Immer wieder schlittert man in dieselben Stressfaktoren hinein. Um das zu vermeiden: „Formulieren Sie, was Sie tun müssten, damit die Festtage zum kompletten Reinfall würden“, sagt die systemische Familientherapeutin. Das deckt oft auf, was man anders machen müsste.

6. Staubweben hängen lassen und Moos sammeln gehen

Fragt man kleinere Kinder, was für sie an Weihnachten wichtig ist, sind das bestimmt die Geschenke und das Ausprobieren nach dem Auspacken. Für sie muss das Haus nicht bis in den letzten Winkel glänzen und auch das Essen wird wahrscheinlich auf der Liste eher weiter hinten stehen. Sie würden sich sicher auch eher gemeinsame Zeit und Ablenkung vor dem Festabend wünschen. Das zeigt: Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Vielleicht den Wohnbereich besonders schön herzurichten, statt bis zum Dachboden alle Staubweben zu entfernen und trotzdem den eigenen Anspruch nicht ganz über Bord zu werfen. So bleibt auch noch Zeit gemeinsam Moos für die Krippe zu sammeln. Kinder kann man oft auch mit in die Vorbereitungen einbeziehen und zum Beispiel in der Küche das Dessert rühren lassen.

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7. Mit der Sanduhr Zeitfenster zaubern

Kinder ab dem Alter von vier bis fünf Jahren sollte man in die Kommunikation mit einbeziehen, rät die Familientherapeutin. Sie können verstehen, dass auch Mamas und Papas nicht immer Zeit haben. Vereinbaren Sie klare Zeitfenster, in denen der Nachwuchs alleine spielt. Eine Sand- oder Stoppuhr hilft die Zeit zu visualisieren.

8. Miteinander sprechen bei Pannen

Es kommt in den besten Familien vor: Beim Schenken entpuppt sich die ein oder andere Idee als Griff ins Klo oder als Billardtisch im Wohnzimmer. Das ist blöd. Besonders blöd zudem, wenn es häufiger passiert. Da hilft nur eines: „Klar ansprechen“, rät Jung-Hoff. Der richtige Zeitpunkt dafür ist nicht unbedingt das Familientreffen am Festtag. „Manchmal ist ein paar Tage später die bessere Lösung“, sagt Jung-Hoff. Bis dahin lässt sich zudem besser reflektieren, wie es zum Geschenke-Quereinschläger kommen konnte. Geschah es aus Unvermögen? Weil es dem Schenkenden egal ist, ob der andere sich freut oder nicht? Ist es eine Geschmacksfrage? Oder meine eigene schlechte Kommunikation.

9. Das „Aber“ in den Bann schicken

„Ich finde es toll, dass du dir so viel Zeit genommen hast, Socken für mich zu stricken, aber die Wolle ist so kratzig.“ – Das ist ein Klassiker in der Kommunikation: Erst etwas Positives, Wertschätzendes vorausschicken, dann das „aber“ einbauen und die gerade bestellte Blumenwiese selbst niedertrampeln. Anders kommt es an, wenn man die Aussagen durch „und“ verbindet: Es ehrt mich total, dass du dir so viel Mühe gegeben hast und ich möchte dir trotzdem sagen, dass ich die Socken wegen der Wolle nicht gut tragen kann.

Dieser Artikel wurde bereits im Dezember 2022 veröffentlicht, der Aktualität wegen aber aktualisiert und erneut zum Lesen angeboten.

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