Urteil im Fall Yagmur Gericht verurteilt Mutter zu lebenslanger Haft

Hamburg · Schläge, immer wieder Schläge: Das Martyrium der kleinen Yagmur ist kaum vorstellbar. Selbst für das Gericht waren die grauenhaften Bilder kaum auszuhalten. Für den qualvollen Tod der Dreijährigen soll die Mutter jetzt mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe büßen.

 Das Grab des kleinen Yagmurs auf dem Öjendorfer Friedhof.

Das Grab des kleinen Yagmurs auf dem Öjendorfer Friedhof.

Foto: dpa, dbo cul bra lof

83 Verletzungen zählten Rechtsmediziner nach Yagmurs Tod vor knapp einem Jahr. Ihr Körper war mit blauen Flecken, Narben und Schwellungen übersät, ihre Leber gerissen.

Für die schwere und tödliche Misshandlung der kleinen Yagmur ist ihre Mutter nun wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das gab das Hamburger Landgericht am Dienstag bekannt. Die 27-Jährige kann auf eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren hoffen, da das Landgericht keine besondere Schwere der Schuld feststellte.

In den Taten der 27-jährigen Angeklagten habe sich eine "unbarmherzige Gesinnung" gezeigt, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Bülter in seiner Urteilsbegründung. Die Frau folgte seinen Ausführungen nahezu ohne Regung mit gesenktem Blick.

Verfahren "bedrückend und belastend"

Den Vater der Dreijährigen sprach das Gericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen schuldig. Er soll für vier Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Die dreijährige Yagmur war kurz vor Weihnachten 2013 in der Wohnung ihrer Eltern an den Folgen schwerer Misshandlungen gestorben.

Das Verfahren sei für das Gericht stärker als andere Prozesse bedrückend und belastend gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Bülter. "Dies vor allem angesichts des Ausmaßes, in dem Yagmur gelitten hat."

Yagmur war am 18. Dezember 2013 in der Wohnung ihrer Eltern in Hamburg-Mümmelmannsberg an den Folgen ihrer zahlreichen inneren Verletzungen gestorben, die ihr nach Überzeugung des Gerichts die aggressive und impulsive Mutter zugefügt hatte. Die junge Frau habe aus "Wut und Hass" gehandelt, weil sie ihr Kind in zunehmendem Maße für ihr als unbefriedigend wahrgenommenes Leben und ihre zerrüttete Ehe verantwortlich gemacht habe, sagte Bülter.

"Ohne jedes Mitleid"

Nach Feststellung des Gerichts hatte die Mutter Yagmur am Ende nahezu täglich gekratzt, gekniffen und "ohne jedes Mitleid" mit Faustschlägen gegen Kopf und Oberkörper traktiert. Den Schmerzen und seelischen Qualen des Kindes habe sie ebenso "gleichgültig" gegenüber gestanden wie der Möglichkeit seines Todes, sagte der Vorsitzende Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; die Angeklagten können gegen die Entscheidung Revision einlegen.

Yagmurs Fall hatte in Hamburg für Entsetzen gesorgt. Das lag auch daran, dass ihre Familie dem Jugendamt bekannt war. Schon lange vor ihrem Tod gab es einen ernsthaften Misshandlungsverdacht, nachdem das Mädchen Anfang 2013 mit einer Hirnverletzung in ein Krankenhaus kam. Yagmur lebte zeitweise bei einer Pflegemutter und in einem Heim.

Schwere Vorwürfe gegen die Behörden

Rund vier Monate vor ihrem Tod durfte Yagmur jedoch zurück zu ihren Eltern. Hintergrund sollen mangelnde Kommunikation zwischen den beteiligten Stellen sowie falsche Einschätzungen gewesen sein. Die wenig später eskalierenden Misshandlungen versuchte die Mutter nach Überzeugung des Gerichts zu kaschieren, etwa indem sie blaue Flecke im Gesicht überschminkte und Yagmur aus dem Kindergarten abmeldete. Die Vorgänge beschäftigen unter anderem auch einen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft.

Auch der Vorsitzende Richter Bülter kritisierte die zuständigen Jugendhilfebehörden am Dienstag scharf. Dort habe es "Versäumnisse", "Fehleinschätzungen" und andere "Defizite" gegeben.

Nur der Vater ergreift das Wort

Mit seinem Urteil blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die zusätzlich die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld bei Yagmurs Mutter angeregt hatte. Auch bei dem Vater blieb die Kammer unter der Forderung der Anklage von sechs Jahren Haft. Die Verteidiger der Eltern hatten jeweils geringere Strafen gefordert.

Den Vater des Mädchens sprach das Gericht schuldig, trotz der ihm bekannten schweren Misshandlungen seiner Frau in den Wochen vor Yagmurs Tod nicht eingeschritten zu sein. Er selbst sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein fürsorglicher Vater gewesen, betonte Bülter. Aber er habe es versäumt, Yagmur wirkungsvoll vor ihrer eigenen Mutter zu schützen. So habe er es etwa dabei belassen, seine Frau zur Aufnahme einer Therapie zu drängen.

Yagmurs Mutter äußerte sich in dem gesamten Prozess nicht. Der Vater ergriff lediglich bei dem den Angeklagten zustehenden sogenannten letzten Worten die Gelegenheit, sich zu äußern. Der Mann habe "ansatzweise Reue" gezeigt, sagte Richter Bülter dazu. Bedauerlicherweise aber sei er nicht über den "richtigen Ansatz" zum Schutz Yagmurs herausgekommen: "Sie hätten viel, viel mehr tun müssen."

(dpa AFP)
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