Fall Susanna Iraks Regierung wertet Übergabe von Ali B. an Deutschland als Rechtsverstoß

Bagdad · Am Wochenende wurde der Tatverdächtige im Mordfall Susanna aus dem Irak nach Deutschland gebracht. Bundespolizei-Chef Romann war dafür persönlich hingeflogen. Die irakische Regierung kritisiert nun das Vorgehen.

Ali B. wird von Beamten einer polizeilichen Spezialeinheit zum Polizeipräsidium Westhessen gebracht (Archiv).

Ali B. wird von Beamten einer polizeilichen Spezialeinheit zum Polizeipräsidium Westhessen gebracht (Archiv).

Foto: dpa/Boris Roessler

Die irakische Regierung hat die Übergabe des Tatverdächtigen im Fall Susanna an Deutschland als Rechtsverstoß kritisiert. Es gebe zwischen beiden Ländern kein Abkommen über eine Auslieferung von gesuchten Personen, teilte das Außenministerium in Bagdad am Mittwochmorgen mit. Den Verstoß hätten sowohl die kurdische Regionalregierung als auch Deutschland begangen. Nur das Justizministerium der irakischen Zentralregierung in Bagdad habe die Befugnis für einen Austausch von Gesuchten.

Der Verdächtige Ali B. war nach der Tat in die kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak geflohen und dort festgenommen worden. Kurdische Sicherheitskräfte übergaben ihn am Samstag in der Regionalhauptstadt Erbil deutschen Polizeibeamten, die ihn zurück nach Deutschland geleiteten. Der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, war persönlich in den Nordirak geflogen, um den Verdächtigen abzuholen.

Ali B. ist wohl älter als bisher angenommen

Am Dienstag war bekannt geworden, dass Ali B. vermutlich bereits 21 Jahre alt und damit vor Gericht kein Heranwachsender mehr ist. Für einen möglichen Strafprozess hätte das erhebliche Auswirkungen: Im Falle einer Verurteilung müsste er mit einer deutlich härteren Strafe rechnen, wie die Staatsanwaltschaft Wiesbaden am Dienstag mitteilte. Bisher wurde davon ausgegangen, dass Ali B. 20 Jahre alt ist.

Die neue Altersangabe ergebe sich unter Vorbehalt aus Informationen des irakischen Generalkonsulates in Frankfurt am Main, sagte Oberstaatsanwalt Oliver Kuhn. Die Ermittler gehen aber nicht davon aus, dass Ali B. bewusst seine Identität verschleiert hat - sie vermuten ein Missverständnis.

Der irakische Flüchtling Ali B. wird verdächtigt, Susanna in Wiesbaden vergewaltigt und getötet zu haben. Bei seiner Vernehmung gestand er, das aus Mainz stammende Mädchen umgebracht zu haben, bestritt aber eine Vergewaltigung. Er sitzt in Frankfurt/Main in Untersuchungshaft.

Falsches Alter durch Zahlendreher?

Nach mündlicher Auskunft des Konsulates wurde Ali B. im März 1997 geboren und nicht wie zunächst angenommen im November 1997, sagte der Staatsanwalt. Dem Konsulat lägen entsprechende Ausweisdokumente vor. Da der Staatsanwaltschaft bisher noch nichts schriftlich vorliege und die Informationen nicht überprüft worden seien, stünden sie noch unter Vorbehalt.

Bei einem Täter von 20 Jahren hätte das Gericht prüfen lassen können, ob er wegen „Reifemängeln“ noch nach Jugendstrafrecht verurteilt werden kann, erläuterte Oberstaatsanwältin Christina Gräf. Das geht mit 21 Jahren nicht mehr - Ali B. müsste bei einer Verurteilung wegen Mordes mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.

Bei der zunächst falschen Altersangabe kann es sich aus Sicht der Ermittler um ein Missverständnis gehandelt haben. Auf den irakischen Dokumenten sei der 11.3.1997 als Geburtsdatum vermerkt, bei der Übertragung ins Deutsche sei auf dem Asylantrag dann der 3.11.1997 daraus geworden. Es könne sich schlicht um einen Zahlendreher handeln, sagte Gräf.

Private Trauerfeier auf Friedhof

Auch bei seinem Namen geht die Staatsanwaltschaft nicht von einer bewussten Fälschung aus: Aus den im irakischen Konsulat vorliegenden Papieren gehe hervor, dass sein Name vier Bestandteile habe. Bei den Behörden in Deutschland habe Ali B. davon dann zwei angegeben: Seinen Vornamen und den Namen seines Vaters. „Das spricht nicht dafür, dass bewusst falsche Personaldaten angegeben wurden“, sagte Gräf. Das irakische Konsulat halte die ihm vorliegenden Papiere für echt.

Das genaue Obduktions- und das Auswertungsergebnis möglicher DNA-Spuren dauere noch einige Tage, hieß es. Nach der Vernehmung von Ali B. müssten seine Aussagen auch mit Spuren an der Leiche abgeglichen werden. Der junge Iraker hatte unter anderem ausgesagt, dass er aufgrund von Verletzungen im Gesicht Susannas, die infolge eines Sturzes entstanden sein sollen, befürchtet habe, dass das Mädchen die Polizei informieren werde. Dies sei sein Motiv gewesen, sie umzubringen. Wann sich Ali B. vor Gericht verantworten muss, ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch unklar.

Susannas Leichnam wurde am Dienstag in einer privaten Trauerfeier auf dem jüdischen Friedhof in Mainz beigesetzt. Der Polizei zufolge waren rund 100 Trauergäste dabei, darunter auch Gäste im Alter der getöteten Jugendlichen.

(wer/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort