Verdächtiger hatte sich schon früher angezeigt Fall Lena: Polizei leitet interne Untersuchung ein

Hannover/Emden · Bittere Erkenntnis im Mordfall Lena: Die Polizei hat schwere Fehler im Vorfeld der Tat zugegeben. Sie hatte gegen den späteren mutmaßlichen Täter offensichtlich nicht konsequent genug ermittelt.

Fall Lena: Chronologie der Ereignisse
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Foto: dpa, Carmen Jaspersen

Der 18-jährige Tatverdächtige sei bereits im November auf dem Polizeirevier Emden erschienen, um sich wegen seiner pädophilen Neigungen selbst anzuzeigen, sagte der Vizepräsident der Polizeidirektion Osnabrück, Friedo de Vries, am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Osnabrück. Dabei habe er angegeben, Fotos von einem unbekleideten Kind gemacht zu haben. Weil der Fall damals nicht weiterverfolgt worden ist, nahm die Polizeidirektion nun interne Ermittlungen wegen polizeilichen Fehlverhaltens auf.

Die Polizei Emden gab den Fall den Angaben zufolge an die damals zuständige Polizeiinspektion Aurich/Wittmund weiter, die beim Amtsgericht Hannover im Dezember einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des 18-Jährigen erwirkte. Dieser Beschluss sei von der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund aber bis zur Festnahme des jungen Mannes am Sonntag nicht umgesetzt worden.

Der Verdächtige wollte mit der Selbstanzeige nach eigenen Angaben "einen Schlusspunkt" setzen, fügte de Vries hinzu. Die Verzögerungen bei den Ermittlungen seien "nicht nachvollziehbar". Er sei betroffen und verlange Aufklärung, sagte der Polizeivizepräsident.

Die Staatsanwaltschaft Hannover beteuerte ihr rasches Handeln. Die Strafverfolger hätten "schnell und zügig alles Nötige veranlasst", sagte Staatsanwältin Kathrin Söfker der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwochausgabe). Ihre Behörde erhielt demnach am 9. Dezember 2011 Akten aus Aurich. Daraufhin sei am 14. Dezember ein Durchsuchungsbeschluss beantragt und sechs Tage später erlassen worden. Am 21. Dezember sei dieser nach Aurich gesendet worden und soll dort am 30. Dezember eingegangen sein. Inwieweit ein Fehlverhalten der örtlichen Polizei vorliege, sei nun Gegenstand der Untersuchung und müsse abgewartet werden, sagte Söfker weiter.

Taucher suchen nach Tatwaffe

Die Ermittlungen im Fall Lena konzentrieren sich unterdessen auf die Suche nach der Tatwaffe und weiteren Gegenständen, die im Zusammenhang mit der Tötung stehen. Dazu werden am Mittwoch Polizeitaucher eingesetzt. Sie sollen die Gewässer an den städtischen Wallanlagen untersuchen, die in unmittelbarer Nähe zum Tatort liegen.

Zudem gaben die Ermittler bekannt, dass der inhaftierte 18-Jährige neben der Tötung Lenas und einer versuchten Vergewaltigung im November auch verdächtigt werde, drei Einbruchdiebstähle in der Gemeinde Krummhörn nahe Emden begangenen zu haben. In einem Fall habe der Abgleich seines Genmaterials mit Tatortspuren übereingestimmt, hieß es am Dienstag. Damit konfrontiert habe der junge Mann die Einbrüche eingeräumt.

Lenas Todesursache weiterhin unbekannt

Unbekannt blieb zunächst, wie Lena ermordet wurde. Das Obduktionsergebnis belege, dass das Mädchen erstochen wurde, berichtete die "Bild"-Zeitung (Mittwochausgabe) vorab. Demnach erlag die Elfjährige "mehreren Stichverletzungen". Die Emder Polizei wollte zur Todesursache und dem Obduktionsergebnis auf dapd-Anfrage weiterhin keine Angaben machen.

Lena war am 24. März in einem Parkhaus in Emden tot aufgefunden worden. Sie wurde der Polizei zufolge Opfer einer Sexualstraftat. Nach der Freilassung eines zu Unrecht der Tat bezichtigten Jugendlichen wurde am Sonntag Haftbefehl gegen den 18-jährigen Tatverdächtigen erlassen. Er hat die Tötung gestanden.

Bis zum Jahr 2009 hatte der Tatverdächtige in Unna (Nordrhein-Westfalen) gewohnt. Auch dort sei er kriminell aufgefallen, allerdings nicht wegen Sexualdelikten, sagte eine Polizeisprecherin in Unna.

Nach dem Mord an Lena hatte es Lynchaufrufe im Internet gegen den ersten Verdächtigen gegeben. Emden will nun ein Zeichen gegen Vorverurteilungen und Selbstjustiz setzen. Stadtverwaltung, Kirchen, DGB und Stadtsportbund riefen die Bevölkerung zu einer Solidaritätsveranstaltung am Freitag (13. April) vor dem Emder Rathaus auf, wie die Stadtverwaltung am Dienstag mitteilte. Dort soll die Solidarität mit allen Opfern und Betroffenen der Tragödie bekundet werden.

Parallel wurde im Internet-Netwerk facebook zu einer öffentlichen Entschuldigung für den zu Unrecht beschuldigten Jugendlichen aufgerufen, die am Mittwochabend am Emder Bahnhof geplant ist. Bis Dienstagabend kündigten fast 400 Nutzer ihre Teilnahme an der Veranstaltung an.

(dpa/dapd/das)
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