Pressestimmen zu Blockupy-Krawallen "Blinde Gewalt und Zerstörungswut sind mit nichts zu entschuldigen"
Rheinische Post: "Die Gewalttäter bilden zwar nur eine kleine Minderheit bei den Protestierern von Blockupy. Aber sie bestimmen die Schlagzeilen. Mit ihren sinnlosen Attacken auf Polizisten, öffentliches und privates Eigentum diskreditieren sie die Anliegen der Protestbewegung, die durchaus berechtigte Fragen stellt. (...) Doch die Debatte darüber geht unter, wenn Gewalttäter aus ganz Europa die Eröffnung der neuen EZB-Zentrale in Frankfurt zum Anlass nehmen, wieder einmal richtig Randale zu machen. Sie unterscheiden sich darin kaum von Fußball-Hooligans, die ebenfalls Gefallen an Gewaltritualen finden. Die Blockupy-Bewegung muss sich von solchen Typen klar distanzieren, die nur die Konfrontation mit der Staatsmacht suchen und an inhaltlicher Debatte nicht interessiert sind."
Spiegel Online: "Die Beschwörung umstürzlerischer Kriegsbilder mag effektvoll sein und maximale Aufmerksamkeit garantieren, doch der Krawall provoziert nicht nur den Staat zu justiziabel ausschlachtbaren Übergriffen und hässlichem Kontrollwahn, er schürt auch die Angst des Bürgertums vor Unruhe und Instabilität. In der vom Mittelstand dominierten Bundesrepublik spielt das Narrativ von der brennenden Bank letztlich den herrschenden Kräften in die stets beschwichtigenden Hände. Die Angst vor Chaos und Gewalt ist – immer noch – größer als der Wille, die bestehende Ordnung zu hinterfragen."
Die Welt: "Die Ausschreitungen am Mittwoch zeigen, wozu diese Melange aus Kapitalismuskritik, Rebellions-Abenteuerurlaub und medialer Gratisverklärung in der Lage ist. Die Bürgerkinder singen im Zug zur Demo Arbeiterlieder, aber die einzigen Arbeiterkinder sind wohl bei der Polizei zu finden, die sie mit Steinen bewerfen. So geht Klassenkampf."
Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Politiker der Linkspartei zeigen Verständnis für den Mob, der auf Polizisten losgeht, vergleichen die Ausschreitungen in Frankfurt gar mit dem Majdan in Kiew – soviel Abgebrühtheit macht sprachlos. Was die Main-Metropole am Mittwoch erlebt hat, ist die blanke Zerstörungswut."
Frankfurter Rundschau: "Einen derartigen Ausbruch von Gewalt hat Frankfurt noch nie erlebt. Hier hat sich eine 'große Wut' gegen die europäische Finanzpolitik entladen, wie ein Blockupy-Aktivist feststellte. Doch so berechtigt diese Wut auch sein mag – jeder Demonstrant, der sie in Gewalt münden ließ, hat sein politisches Anliegen gezielt verraten. Hat die Argumente der vielen geschwächt, die gewaltfrei protestierten. Und nicht zuletzt Hardliner gestärkt, die mit Begriffen wie "linke Chaoten" und "gewaltbereiter Mob" gegen die Demonstrationsfreiheit agitieren. Es sind die Randalebilder, die die Nachrichten beherrschen. Und die Rauchschwaden über der Stadt haben die Werte einer kapitalismuskritischen Bewegung nicht nur vernebelt – sondern erstmal verschluckt."
Süddeutsche Zeitung: "Natürlich dürfen Zornige und Wütende keine Autos anzünden und nicht herumprügeln. Aber man darf auch nicht, wie es in Frankfurt immer wieder geschieht, Proteste gegen den Finanzkapitalismus so gängeln, dass der erlaubte Demonstrations-Rest nicht sicherer, sondern gefährlicher wird. Es ist nicht gut, wenn es die Blödheit von Randalierern der Politik erleichtert, in ihrer eigenen Dummheit zu verharren. Es ist auch nicht gut, wenn notwendiger Protest den Krawallmachern überlassen wird."
taz: "Gewalt ist nicht das richtige Mittel, um politische Auseinandersetzungen zu führen. Auch nicht, wenn sie sich gegen Dinge wie Autos richtet. Erst recht nicht, wenn Menschen – wie Polizeibeamte – angegriffen werden. Die Bilder einer Stadt in Rauch und Flammen dominieren die Schlagzeilen. Das Kalkül, so eins dahintersteckte, ist aufgegangen, die maximale Aufmerksamkeit erreicht. Der Preis aber, der dafür bezahlt werden muss, ist hoch. Denn letztlich ist es die Auseinandersetzung mit den Inhalten von Blockupy, die als Erstes den Flammen zum Opfer fällt."
Berliner Zeitung: "Die Blockupy-Bewegung nimmt zwar das Demonstrationsrecht für sich in Anspruch, leistet aber einen aggressiven Beitrag zu dessen Beschädigung. Da hilft auch der lapidare Verweis der Occupy-Organisatoren nicht weiter, dass die in vielen Ländern Europas vorherrschende Wut nun eben auch in Frankfurt angekommen sei. Brutale Straßengewalt ist kein gutes Beispiel für einen Transfer europäischer Stimmungslagen."
Generalanzeiger (Bonn): "In den vergangenen Monaten ist viel über den Rechtsterrorismus gesprochen worden. Nach den NSU-Morden war diese Debatte überfällig. Dass es auch auf der linken Seite des Spektrums ein radikales und gewaltbereites Potenzial gibt, ist dabei offenbar ein wenig aus dem Blick geraten. Das ist nicht nur ein Problem des Verfassungsschutzes oder der Polizei. Die war gestern offenbar durchaus vorbereitet. Hier ist die ganze Gesellschaft gefordert. Sie muss ihr Verhältnis zu jenen Gruppierungen klären, die vordergründig Gewalt ablehnen, ihr aber gleichzeitig Vorschub leisten."
Lausitzer Rundschau: "Dabei kann man sehr wohl über die Rettungspolitik der Europäischen Union gegenüber Griechenland diskutieren. Nicht alle Maßnahmen, die die Troika verfügte, waren unbedingt hilfreich. Mit den Randalen in Frankfurt hat Blockupy diesem Anliegen jedoch schweren Schaden zugefügt. Genauso wie die Tsipras-Regierung ihrem Anliegen mit halbstarken Sprüchen und Gesten schadet. Diskutiert wird dann nur noch über Stinkefinger und Krawalle."
Südwest Presse: "Noch empörender als die vermummten Randalierer und Chaoten, die gestern die Frankfurter Innenstadt rund um die EZB-Türme zum Schlachtfeld machten, sind die ewig gleichen Versuche, die gewalttätigen Ausschreitungen der linken Szene zu relativieren. Um es einmal festzuhalten: Gestern fand kein Freiheitskampf gegen Unterdrückung und Willkür statt. Es war vielmehr eine hoch intelligent arrangierte Inszenierung, die nur ein Ziel hatte: Bilder zu produzieren, die beweisen, dass eine angeblich übermächtige Staatsmacht einen vermeintlich gerechtfertigten Protest niederknüppelt."
Märkische Oderzeitung: "Es ist nur eine Minderheit unter den Kapitalismuskritikern von Blockupy, die sich an solchen Gewaltexzessen beteiligt, aber eine besonders brutale. Ihr ist jedes Mittel recht, um für Aufsehen zu sorgen. Eine politische Strategie ist dabei nicht zu erkennen. Denn auf Sympathie in der Bevölkerung kann man mit solchen Aktionen nicht hoffen. Dabei gäbe es gute Gründe, das Wirken der Europäischen Zentralbank zu kritisieren. Zum einen steht sie für die Sparpolitik, die in Europas Süden zur Massenarbeitslosigkeit geführt hat. Andere sind mit der Niedrigzinspolitik der EZB nicht einverstanden und werfen ihr eine Enteignung der Sparer vor. Diese Auseinandersetzungen müssen geführt werden – aber bitte mit Sachargumenten."
Schwäbische Zeitung: "Aberwitzig mutet es zudem an, dass sich der Hass gegen eine Institution entlädt, an der die Anhänger der reinen kapitalistischen Lehre derzeit wenig Freude haben. Die Europäische Zentralbank fährt eine Politik nicht gegen, sondern für Griechenland und die verschuldeten Südländer der EU, indem sie die Märkte mit Geld flutet und den Euro künstlich schwächt. Aber böse Bank ist für Blockupy eben böse Bank – die Wut könnte auch jede Sparkasse treffen."
Allgemeine Zeitung Mainz: "Jeder, der klaren Sinnes ist, wusste, was kommen würde. Es ist Teil einer tiefen Tragik, wenn die Blockupy-Bewegung nun unter Tränen klagt, das habe man nicht gewollt. Natürlich nicht. Aber wie naiv muss man sein, zu denken, es werde schon alles im Rahmen bleiben. Naivität kann fürchterliche Folgen haben, man muss sich hüten vor ihr, indem man lernt, um wenigstens innerlich gerüstet zu sein. Das kann viel helfen."
Weser-Kurier: "Verarmung auf der einen Seite, Milliarden zur Stützung von Banken auf der anderen Seite - das ist der Nährboden für den großen Zorn der Kapitalismus-Kritiker von Blockupy. Und dass Draghis Finanzpolitik auf lange Sicht ein Spiel mit dem Feuer ist, verunsichert zudem viele Menschen. Sparguthaben und Festgelder entwerten sich, Pläne für die private Altersvorsorge stehen auf wackeligen Beinen. Die Frage ist durchaus berechtigt, ob die Schuldenstaaten Südeuropas nicht eher kaputt- denn gesundgeschrumpft werden. Festzuhalten bleibt aber auch: Letztlich haben eine unsolide Finanzwirtschaft, Filz und Korruption ein Land wie Griechenland dorthin gebracht, wo es heute steht."
Börsen-Zeitung: "Die ach so friedlich gesinnten Aktivisten von Blockupy, die sich den Ablauf ganz anders vorgestellt hatten, die Linke, die in den Ausschreitungen Parallelen zur Freiheitsbewegung in der Ukraine entdeckte – stimmt ja: nicht nur über dem Main, auch über dem Maidan waberten Rauchschwaden! – oder der DGB, der es 'total kontraproduktiv' findet, wenn Polizisten verletzt werden: Sie alle haben die Plattform für einen Gewaltexzess geboten, wie ihn Frankfurt lange nicht erleben musste. Und jeder hat es vorher gewusst. Diese Gewalt ist ein weiterer Beleg für das Scheitern des Versuchs, das 'Friedensprojekt Euro' zu retten, koste es, was es wolle. So, wie Politik in der EU funktioniert, spaltet der Euro Europa.
Mittelbayerische Zeitung: "Europa steht an einem Scheideweg. Es muss die Deutungshoheit über sich wiedergewinnen und sie nicht den Banken überlassen, nicht den Populisten und auch nicht der Straße. Mit dem Finger auf Athen zu deuten, ist genauso falsch, wie Deutschland den ausgestreckten Finger zu zeigen – oder wie Steine auf die EZB zu werfen: Es hilft niemandem."
Westfalen-Blatt (Bielefeld): "Sicher gibt es immer und überall einige gewaltbereite Spinner. Doch ist es nicht nur Aufgabe der Polizei, sondern auch der friedlichen Demonstranten, diese zu isolieren und an der Gewaltausübung zu hindern. Wachsweiche Stellungnahmen der Sprecher der Frankfurter Blockupy-Bewegung diskreditieren sich selbst. Zum Glück waren wenigstens die Aussagen aller Politiker eindeutig – gegen die Gewalt. "
Thüringische Landeszeitung: "Brennende Polizeiautos, geborstene Scheiben, Dutzende Verletzte: Es steht außer Frage, dass die Gewaltausbrüche in Frankfurt am Main durch nichts zu rechtfertigen sind. Freilich: Nicht alle Demonstranten waren auf Krawall gebürstet, doch der gestrige Tag hat wieder einmal daran erinnert, dass es auch auf der linken Seite des politischen Spektrums ein gewaltbereites Potenzial gibt. Da ist es mehr als befremdlich, dass sich eine Bundestagsabgeordnete der Linken hinstellt und die Blockupy-Proteste mit denen für mehr Demokratie vor einem Jahr auf dem Kiewer Maidan vergleicht."
Neue Zürcher Zeitung: "Blinde Gewalt und Zerstörungswut sind mit nichts zu entschuldigen – erst recht im demokratischen, zivilisierten Europa. Doch daran, dass die Verkörperung eines anscheinend unglaublich mächtigen, bürgerfernen Europas, das Verlierer an den Rand drängt, irrigerweise mit der Institution EZB gleichgesetzt wird, daran ist die Zentralbank nicht ganz unschuldig. Ihr neuer Hauptsitz soll Transparenz ausstrahlen, ist aber zu einem unbescheidenen architektonischen Machtsymbol verkommen. Die EZB traut sich zu viel zu. EZB-Chef Draghi verspricht, er könne genug tun, um alle Krisenländer im Euro-Raum zu behalten. In zu vielen politischen Fragen ist der entscheidende Akteur die EZB, die unabhängig und unpolitisch handeln sollte."