Louise Brown Erstes Retortenbaby wird 30

Bristol (RP). Louise Joy Brown galt 1978 als medizinische Sensation. Als erster Mensch der Welt wurde sie durch künstliche Befruchtung gezeugt. Heute lebt sie einfach und bescheiden mit Mann und Sohn im englischen Bristol.

Louise Brown, das erste Retortenbaby
4 Bilder

Louise Brown, das erste Retortenbaby

4 Bilder

Louise Brown ist damit auf aufgewachsen, der Anlass für ethische Bedenken zu sein. Am 25. Juli 1978 erblickte sie in Oldham bei Manchester, England, das Licht der Welt vor laufender Kamera. "Alle Untersuchungen belegen, dass das Baby ziemlich normal ist", stellte der Gynäkologe Patrick Steptoe danach beglückt fest. Die katholische Kirche reagierte distanziert auf den Eingriff in die Schöpfung. Morgen feiert Louise Joy Brown, der erste durch künstliche Befruchtung entstandene Mensch, ihren 30. Geburtstag.

Patrick Steptoe und der Biologe Robert Edwards hatten Louises Mutter Eizellen entnommen, im Reagenzglas befruchtet und sie ihr dann in die Gebärmutter eingesetzt. Der Erfolg war ein wissenschaftlicher Durchbruch. Bis heute sind Millionen Kinder so entstanden, jährlich kommen Hunderttausende hinzu. "Es ist ein bisschen beängstigend, dass ich die Allererste bin", gibt Louise Brown zu. "Aber es ist auch ein schönes Gefühl, dass all diese Leute vielleicht nicht auf der Welt wären, wenn ich nicht geboren worden wäre."

Louise Brown lebt bescheiden in der englischen Hafenstadt Bristol, in der sie aufgewachsen ist. Sie arbeitet als Reederei-Angestellte, heiratete 2004 den Wachmann Wesley Mullinder, seit 2006 ist sie Mutter eines Sohnes, Cameron. Sie schwimmt gern, mag Pub-Besuche und Dart. Interviews hingegen mag sie nicht — sie scheut die Öffentlichkeit. Vor 30 Jahren jubelten die Zeitungen über ihr britisches "Superbaby" und "Lovely Louise". Aber nicht alle Reaktionen waren so nett: "Retortenbaby" klingt schon weniger niedlich. Es gruselte die Menschen, dass bei der Zeugung eines Kindes mehr als zwei Menschen ihre Hände im Spiel hatten.

Die Welt fürchtete Designer-Babys und eine "schöne neue Welt", in der Gott ins Handwerk gepfuscht werde. Und wartete furchtsam ab: Würden Behinderungen, Fehlentwicklungen, psychische Spätschäden auftreten? "Völlig allein" habe sie sich als Kind manchmal gefühlt, erinnerte sich Louise Brown: "Ich dachte, da wäre etwas Seltsames an mir. Ich dachte, ich wäre nicht normal." Louises Eltern, der Lkw-Fahrer John und seine Frau Lesley Brown, hatten ihrem Töchterchen als Vierjähriger offenbart, warum sie ein besonderes Kind sei. Nicht besonders, wie jeder Mensch, sondern auf eine ganz spezielle Art anders. Die Kinder in der Grundschule wussten das auch. "Sie stellten Fragen wie: 'Wie hast du ins Reagenzglas gepasst?'", erzählt Louise.

Sie wurde erst ein etwas pummeliger Teenager, dann eine lebenslustige Erwachsene. Sie jobbte im Kindergarten und bei der Post. Und sie heiratete einen Mann, dem der Rummel um sie egal ist: "Für mich ist sie an erster Stelle Louise", erklärte er in einem Interview. Seine Frau betonte, sie habe immer eigene Kinder gewollt, und sie freue sich, "dass Wesley und ich natürlich empfangen konnten".

Louise Brown ist es scheinbar bestimmt, den Beweis vorzuleben, dass Retortenbabys ein "normales"" Dasein haben können. Angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit musste sie dafür richtig kämpfen. "Ich denke, ich war so wie jeder andere auch, nur ein bisschen anders", formulierte sie einmal. Zu den Wissenschaftlern Steptoe und Edwards hatte sie immer eine enge Bindung. "Edwards ist wie ein Großvater für mich." Bei Steptoes Tod habe sie das Gefühl gehabt, "ein geliebtes Familienmitglied zu verlieren". Über ihren 30. Geburtstag denke sie jetzt kaum nach, sie plane einen ruhigen Tag. "Vielleicht gehe ich mit Freunden aus, oder es gibt ein Essen mit der Familie."

Auch ihre einige Jahre jüngere Schwester Natalie wurde durch künstliche Befruchtung gezeugt. Sie kam als das weltweit 40. Retortenkind zur Welt und war trotzdem noch für Schlagzeilen gut. Sie bewies im Jahr 1999 erstmals mit der Geburt einer gesunden Tochter, dass "Retortenkinder", so hässlich es klingt, "normal fortpflanzungsfähig" sind.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort