Klage wegen billiger Brustimplantate Erste Prozess in Deutschland startet

Karlsruhe · Der Wunsch unzähliger Frauen nach einer schöneren Brust wurde für Hunderttausende weltweit zu einem Alptraum. Ihnen wurden Gel-Kissen des französischen Herstellers PIP implantiert, die mit billigen Industriesilikon befüllt waren und deshalb auffällig oft rissen und Entzündungen verursacht haben sollen.

Skandal um PIP-Brustimplantate
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Der Skandal wird nun auch hierzulande juristisch aufgearbeitet: Das Landgericht Karlsruhe prüft am Dienstag erstmals die Forderungen einer von bundesweit über 5000 betroffenen Frauen, denen das zuständige Bundesinstitut die Entfernung der Implantate empfohlen hatte.

Vor Gericht steht allerdings nicht die französische Herstellerfirma Poly Implant Prothèse (PIP). Sie und ihr 73-jähriger Besitzer Jean-Claude Mas, der bis bis Ende Oktober in Frankreich rund ein halbes Jahr in Untersuchungshaft saß, sind pleite.

Stattdessen hat die Frau fünf andere Beteiligte verklagt, die ihr ein Schmerzensgeld von bis zu 30.000 Euro zahlen sollen. Auf der Liste steht dem Landgericht zufolge der behandelnde Arzt an erster Stelle. Ihm wirft die Klägerin vor, sie vor der Brustimplantation unzureichend aufgeklärt und die PIP-Implantate als "besonders sicher" dargestellt zu haben.

An zweiter Stelle steht eine deutsche Chemiehandelsgesellschaft, die der PIP das für die Herstellung der Implantate verwendete Industriesilikon geliefert haben soll, ohne zu prüfen, wofür dieses verwandt wurde. Verantworten soll sich auch die Allianz-Versicherung, die der Haftpflichtversicherer von PIP in Frankreich war. Dort ist die Allianz bereits zu Schadenersatz von 20.000 Euro an eine Frau verurteilt worden, wehrt sich aber dagegen: Ihrer Auffassung nach ist der Versicherungsvertrag unwirksam, weil PIP betrügerisch gehandelt habe.

Aber auch der TÜV Rheinland steht vor den Schranken des Karlsruher Gerichts. Eine ihm gehörende Gesellschaft hatte die PIP-Implantate als "ordnungsgemäß" zertifiziert. Möglich war das aber nur, weil der TÜV seine Kontrollen stets zuvor bei der Firma angekündigt hatte, und das Unternehmen dann rechtzeitig kompromittierende Unterlagen und ganze Container mit dem Billig-Silikon verschwinden lassen konnte, wie Mas in einem Polizeiverhör zugab.

Zuletzt verklagt die betroffene Frau auch noch die Bundesrepublik Deutschland im Wege der Amtshaftung. Begründung: Das für die Erfassung und Bewertung von Risiken zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sei Warnhinweisen nicht rechtzeitig nachgegangen. Der Skandal sei seit 2010 bekannt, das Institut habe Frauen aber erst im Januar dieses Jahres empfohlen, die Billig-Implantate vorsorglich entfernen zu lassen.

Ob dieser vorsorgliche Rat berechtigt war, könnte ebenfalls auf dem Prüfstand der Karlsruher Richter stehen: Laut einer groß angelegten und im Juni veröffentlichten Studie der britischen Gesundheitsbehörde NHS ist das Industriesilikon in den umstrittenen Implantaten weder giftig noch krebserregend und gefährdet die Gesundheit auch langfristig nicht. Allerdings sei die Gefahr, dass die Silikonkissen reißen, doppelt so hoch wie bei anderen Herstellern.

(AFP)
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