Deutschlands reichste Frau erstattete Anzeige Erpresser handelten als organisierte Bande

München (RPO). Es liest sich wie der Stoff für einen Hollywood-Thriller: Die Liebesbeziehung zu einem smarten Unternehmer entpuppt sich für die reichste Frau des Landes als Falle. Ein Blick in die Ermittlungsakten zeigt: Susanne Klatten war kein Einzelfall. Die Kriminellen arbeiteten systematisch und organisiert.

Susanne Klatten - die reichste Frau Deutschlands
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Für die Erbin der Unternehmerfamilie Quandt, Susanne Klatten, wurde das Szenario Wirklichkeit: Ein Sprecher der BMW- und Altana-Großaktionärin bestätigte am Wochenende, Klatten habe bereits im Januar Strafanzeige wegen Betrugs und Erpressung gestellt.

Unter Berufung auf die Ermittlungsakten schildern italienische Zeitungen den Fall der "signora BMW" in epischer Breite, rekonstruieren das Vorgehen der italienisch-schweizerischen Kriminellen. Der attraktive Schweizer Helg S., etwas über 40 Jahre alt, 1,85 Meter groß, ist freundlich und sehr aufmerksam.

Mindestens vier reiche deutsche Frauen erliegen seinem Charme: Klatten, Marie Lusie H., Elfriede R. und Monika S.

Die Methoden des Charmeurs: perfide. Mit der Zeit berichtet S. den Damen von der Gefahr, in der er schwebe: Er werde von der italo-amerikanischen Mafia bedroht, weil er bei einem Autounfall ein Kind aus einer Mafiafamilie erfasst habe. Nun brauche er Geld, um die Bosse zu entschädigen. Sonst würden sie ihn umbringen. Klatten gibt ihm 7,5 Millionen Euro. Weitere insgesamt rund zehn Millionen soll er von den anderen drei Frauen bekommen haben.

Doch S. gibt sich damit nicht zufrieden, beginnt Klatten zu erpressen. Er fordert von der Milliardärin zunächst 40 Millionen Euro, reduziert die Summe dann auf 14 Millionen. Er droht damit, kompromittierenden Aufnahmen von den gemeinsamen Treffen zu verbreiten. Für die Geldübergabe wird ein Treffen in Tirol vereinbart. Doch statt auf sein Erpressungsopfer trifft S. in der Tiefgarage eines Einkaufszentrums in Vomp bei Innsbruck auf die Polizei-Spezialeinheit "Cobra". Klatten hatte Strafanzeige gestellt.

Internationaler Haftbefehl

"Frau Klatten hat sich dazu entschieden, weil sie erkannte, dass die Beziehung zu Herrn S. einen ausschließlich kriminellen Hintergrund hatte", erläutert ihr Sprecher. "Das Ziel war von Anfang an, sie zu betrügen und Geld zu erpressen." Die Erpressungen hätten mit Bildern von gemeinsamen Begegnungen im Herbst 2007 begonnen.

Ein Sprecher des österreichischen Bundeskriminalamts bestätigt die Festnahme von S. auf Grundlage eines internationalen Haftbefehls. Er sei nach Deutschland ausgeliefert worden. Die Münchner Staatsanwaltschaft hüllt sich weitgehend in Schweigen. Zwar bestätigt ein Sprecher das Ermittlungsverfahren, will zu den Inhalten aber keine Angaben machen.

Auch der 20 Jahre ältere italienische Komplize von S. wird festgenommen: Ernano B., ein selbst ernannter Guru und Unternehmer, der im Abruzzenort Pescosansonesco eine noble Landresidenz betreibt. Nach längerer Überwachung schlagen italienische Ermittler im Juni zu: In einem Zwischenraum unter einem Dach finden sie etwa 1,7 Millionen Euro, und sie beschlagnahmen zehn Luxusautos, zwei Villen und ein Mehrfamilienhaus. Viele Millionen Euro sollen von den Tätern schon im Ausland in Sicherheit gebracht worden sein.

Bizarre Rechtfertigungsversuche

B. war den Berichten zufolge stets dabei, wenn S. sich mit den reichen Frauen in Nobelhotels vor allem in München und Monte Carlo traf: Er mietete sich angeblich jeweils im benachbarten Zimmer ein, um die Zusammenkünfte zu filmen. Auch die Frauen der beiden Haupttäter sowie die beiden Kinder von B. sollen in die kriminellen Machenschaften verwickelt sein. Italienische Medien berichten schon seit Monaten über die offenbar seit Jahren aktive Erpresserbande, die Namen der Opfer waren aber bislang geheim gehalten worden.

Noch bizarrer als der Erpressungsfall aber sind die Rechtfertigungsversuche der Täter. Laut einer Aussage von B. wollte sich S. für das Schicksal seiner jüdischen Verwandten im Dritten Reich rächen: Eine der Damen sei Tochter eines Industriellen, der im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter beschäftigt habe, darunter einen nahen Verwandten von S.

(afp)
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