Nach Amoklauf von Winnenden Ermittlungen gegen Tims Vater bestätigt

Winnenden (RPO). Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat fünf Tage nach dem Amoklauf von Winnenden die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Vater des Täters Tim K. bestätigt. Gegenstand ist der Verdacht der fahrlässigen Tötung, wie der Sprecher der Polizei Waiblingen, Klaus Hinderer, am Montag mitteilte.

Chronik des Amoklaufs von Winnenden im März 2009
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Foto: ddp

Zur Begründung hieß es, der Hobby-Schütze habe die auf ihn zugelassene Tatwaffe im elterlichen Schlafzimmer anstatt in einem verschlossenen Waffentresor aufbewahrt. Dies verstoße gegen das Waffengesetz. Dem Vater von Tim K. droht damit laut Strafgesetzbuch bis zu fünf Jahren Haft oder eine Geldstrafe.

Zur Begründung verwiesen Polizei und Staatsanwaltschaft darauf, dass die Eltern von Tim K. vermutlich wussten, dass ihr Sohn an einer Depression gelitten habe. Weil der Vater seine von Tim K. für die Tat benutze Pistole gleichwohl nicht in einem Tresor verschlossen habe, ergebe sich der konkrete Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung.

Noch vier Verletzte in Krankenhäusern

Unterdessen wurde am Montag bekannt, dass sich nach der Tat noch vier Verletzte in Krankenhäusern befinden. Zwei Schülerinnen und zwei Polizeibeamte würden wegen ihrer Schussverletzungen derzeit noch behandelt, teilten die Rettungs- und Betreuungskräfte am Montag in Winnenden mit. Für die Verletzten bestehe keine Lebensgefahr. Insgesamt wurden nach Polizeiangaben bei der Tat elf Menschen verletzt, neun von ihnen Schülerinnen und Schüler sowie zwei Polizeibeamte.

Schulstart freiwillig

Schüler der Albertville-Realschule kamen unterdessen erstmals wieder in ihrem jeweiligen Klassenverband, nicht aber in ihrem Schulgebäude zusammen. Zu dem freiwilligen Angebot wurden die Schüler mit Bussen abgeholt und in Räume in anderen Schulen sowie Sport- und Gemeindehallen gebracht, wie ein Sprecher der Stadt erklärte. Unterricht im eigentlichen Sinne soll dabei vorerst nicht stattfinden. In dieser Woche sollen weitere Opfer des Massakers beerdigt werden.

Die Ermittler setzten am Montag die Vernehmungen von Zeugen der Bluttat mit 16 Toten fort. Dabei müsse man auch die psychische Situation der Schüler und Lehrkräfte berücksichtigen. Das werde sicherlich noch eine ganze Zeit dauern, sagte Polizeisprecher Klaus Hinderer. Eine Zahl der zu vernehmenden Zeugen konnte der Polizeisprecher nicht nennen.

Tim K. laut Bericht nur einmal in Schießanlage

Nach Angaben des Schützenvereins SSV Leutenbach hat Tim K. nur ein einziges Mal, und zwar im Oktober 2008, in der Anlage mit einer Pistole geschossen. Das berichteten die "Stuttgarter Nachrichten" unter Berufung auf den Vereinsvorsitzenden Detlef Lindacher. Dies sei auch vorschriftsmäßig im Schießbuch notiert worden.

Die Ermittler hatten berichtet, Tim K. sei als "Gastschütze" in Begleitung seines Vaters beim Schützenverein gewesen. Nach Informationen der Zeitung hat er drei Wochen vor dem Amoklauf, bei dem er 15 Menschen und sich selbst erschoss, noch ein zweites Mal auf der Schießbahn geschossen. Der entsprechende Eintrag im Schießbuch fehle aber, es gebe jedoch eine glaubwürdige Zeugenaussage.

Verband fordert Gefahrenzulage für Lehrer

In der Debatte um Lehren aus dem Amoklauf in Winnenden appellierte die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann an Eltern, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Es gebe jede Menge Videos und Computerspiele, die Gewalt verherrlichen. "Wir brauchen eine Kultur der Aufmerksamkeit und des Hinschauens, wenn sich Jugendliche absolut zurückziehen in ihre Computerwelt", sagte sie der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Käßmann meinte zudem, Lehrkräfte an den Schulen benötigten "bessere Bedingungen, kleinere Klassen, mehr Zeit für Einzelgespräche".

Der Philologenverband setzte sich für eine bessere Lehrerbezahlung oder eine Gefahrenzulage ein. Der Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger sagte der "Bild"-Zeitung: "Der Amoklauf hat erneut gezeigt, dass Lehrer in ihrem Beruf immer öfter zum Hassobjekt werden. Man könnte jetzt über eine Art Gefahrenzulage nachdenken." Zumindest müssten Lehrer finanziell besser gestellt werden.

Der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die Forderung des Philologenverbandes nach einer "Gefahrenzulage" für Lehrer nach dem Amoklauf von Winnenden allerdings für "peinlich". Gehaltsforderungen in einen Zusammenhang mit dem Amoklauf zu bringen sei geschmacklos, sagte Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Schule, am Montag in Frankfurt am Main. Über Einkommensfragen werde immer noch in Verhandlungen entschieden.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche wiederum zeigte Sympathien für die Position. Die "Bild"-Zeitung zitierte sie mit den Worten: "Der Lehrerberuf wird auch vor dem Hintergrund von Gewalt immer schwieriger. Eine Diskussion über spezielle Gehälter halte ich deshalb für richtig."

Bei dem Amoklauf des 17-jährigen Tim K. an der Albertville-Realschule in Winnenden wurden drei Lehrerinnen erschossen.

(AP)
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