Wegen Spionage und Mord Ermittlungen gegen Kurras

Frankfurt/Main (RPO). Mehr als 40 Jahre nach seinem tödlichen Schuss auf den Studenten Benno Ohnesorg wird gegen den früheren Westberliner Polizisten und Stasi-Mitarbeiter Karl-Heinz Kurras sowohl wegen Mordverdachts als auch wegen Spionageverdachts ermittelt.

Benno Ohnesorg: Der Schuss und die Folgen
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Beide Verfahren stehen aber erst am Anfang, wie Sprecherinnen der zuständigen Behörden Bundesanwaltschaft und Berliner Generalstaatsanwaltschaft am Samstag der Nachrichtenagentur AP sagten. Sie bestätigten einen "Focus"-Bericht.

Ob es zur Anklage wegen Landesverrats kommt beziehungsweise der Prozess wegen des Ohnesorg-Todes wiederaufgerollt wird, ist noch unklar. Beim Generalstaatsanwalt in Berlin läuft ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Kurras wegen Mordverdachts, nachdem private Anzeigen erstattet wurden, wie Behördensprecherin Simone Herbeth sagte. Wegen der neuen Erkenntnisse zur Mitarbeit von Kurras beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR werde geprüft, ob es Anlass gebe, eine neue Anklage zu erheben oder das alte Verfahren wiederaufzunehmen. Kurras war in zwei Prozessen freigesprochen worden.

Im Rahmen der Ermittlungen wegen Spionageverdachts wurde Kurras in der vergangenen Woche wegen Spionageverdachts "als Beschuldigter vernommen", wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft sagte. Mit dieser Vernehmung haben die Ermittler unabhängig vom weiteren Verlauf der Untersuchungen zunächst sichergestellt, dass mögliche Spionagetätigkeiten von Kurras nicht verjähren. Die Frist dafür beträgt 20 Jahre und wäre im November 2009 abgelaufen. Die Vernehmung unterbricht allerdings diese Verjährungsfrist.

Grundsätzlich prüft die Bundesanwaltschaft nach Angaben ihrer Sprecherin, ob durch Kurras' Verhalten die Qualität des Landesverrats erfüllt wird und wenn ja, ob er nur bis zum Tod Ohnesorgs 1967 für die Stasi tätig war oder bis zur Wende im November 1989.

Anfangsverdacht für Auftragsmord prüfen

Die Ermittler stützen sich laut "Focus" auf Erkenntnisse aus den bislang gesperrten Teilen des 17. Bandes der Stasi-Akte von Kurras alias IM "Otto Bohl". Die Bundesanwaltschaft hatte nach Angaben der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen im Juni einen Teil der Stasi-Akte "zur Prüfung des Anfangsverdachts eines möglichen durch das Ministerium für Staatssicherheit angeordneten Auftragsmordes an Benno Ohnesorg" gesperrt.

Die These eines Mordauftrags der Stasi an Kurras wies der ehemalige MfS-Oberst Heinz Ehrhardt im "Focus" als absurd zurück: "Wir wollten Kurras als Spitzenquelle. In jenem Moment, als er schoss, war er ein Idiot." Ehrhardt, in den 70er Jahren Vorgesetzter von Kurras' Führungsoffizier, sagte dem Blatt, er habe dem Offizier 1976 den Auftrag erteilt, sich wieder mit Kurras zu treffen. Die Tatsache, dass der Band 17 keine weiteren Berichte über Kurras' Tätigkeit beinhalte, werteten die Ermittler laut "Focus" als Maßnahme der Stasi, das Verhältnis zu Kurras zu verschleiern.

Kurras erschoss am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration in Berlin den Studenten Ohnesorg. Die Tat gilt als Auslöser der Studentenproteste und der 68er Bewegung. Ende Mai 2009 wurde bekannt, dass Kurras inoffizieller Mitarbeiter der Stasi war. Gegen ihn läuft auch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin wegen unerlaubten Waffenbesitzes.

(AP/felt)
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