Zwickauer Neonazi-Bande im Verdacht Ermittler suchen 38 Kilo gestohlenen Sprengstoff

Berlin · Die Ermittler im Fall der Neonazibande von Zwickau sind einem Medienbericht zufolge über den Verbleib von gut 38 Kilogramm Sprengstoff TNT beunruhigt, der 1991 aus einem Bundeswehr-Munitionsdepot nahe dem thüringischen Großeutersdorf gestohlen wurde.

Neonazi-Mörder verhöhnen Opfer mit Video
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Die Fahnder hätten mittlerweile herausgefunden, dass die Rohrbomben, die 1998 in einer von Beate Zschäpe angemieteten Garage gefunden wurden, mit dem TNT aus dem Bundeswehrdepot gebaut wurden, berichtet die "Bild am Sonntag". Die Ermittler befürchteten jetzt, dass auch der Rest des Sprengstoffs in den Händen von Neonazis sein könnte.

Derzeit überprüfe die Bundesanwaltschaft, ob der Nagelbomben-Anschlag des Terror-Trios im Juni 2004 in Köln ebenfalls mit diesem Sprengstoff verübt wurde. Der Terrorverdächtige Andre E. wurde unmittelbar nach seiner Verhaftung am vergangenen Donnerstag dazu befragt. Er verweigere allerdings die Aussage.

Unterdessen wusste der Verfassungsschutz nach "Spiegel"-Informationen bereits 1998 davon, dass sich das untergetauchte Neonazi-Trio Waffen besorgte. Demnach soll ein V-Mann im September 1998 berichtet haben, ein sächsischer Neonazi beschaffe für Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe Waffen, berichtet das Nachrichtenmagazin. Zudem wurden die Verfassungsschützer informiert, dass mit den Waffen Überfälle begangen werden sollten.

Die Hinweise stammen laut "Spiegel" vom brandenburgischen Verfassungsschutz und wurden an die Kollegen in Sachsen und Thüringen sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren Anfang 1998 untergetaucht.

Spur ins Ausland

Die rechtsextremistische Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" unterhielt nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" offenbar auch Kontakte ins Ausland. Deutsche Zielfahnder orteten Mitglieder der Gruppe nach Informationen des Blattes im September 1998 im ungarischen Budapest und im August 2000 in Bulgarien. Auch nach Südafrika führe eine Spur. Mehrere Thüringer Neonazis sollen sich zudem im Jahr 2000 auf der Farm eines Gesinnungsgenossen in Südafrika aufgehalten haben.

Friedrich: Ohne V-Leute auf 'rechtem Auge' blind

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat vor dem Scheitern eines neuen NPD-Verbotsverfahrens gewarnt. "Das wäre eine Katastrophe. Die NPD würde triumphieren. Das will ich nicht", sagte Friedrich der "Welt am Sonntag". Ein erster Verbotsantrag war 2003 vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen worden, weil zahlreiche V-Leute des Verfassungsschutzes in der rechtsextremistischen Partei waren.

Friedrich betonte den Wert von Informanten in der rechten Szene. "Ich bin sehr vorsichtig, was das Abschalten von V-Leuten angeht", sagte er. "Wir haben Leute bei der NPD, die gleichzeitig V-Leute in der Neonazi-Szene sind. Wenn wir alle Informanten aus der NPD abziehen, verlieren wir den Einblick in die Neonazi-Szene." Der Minister betonte: "Wir brauchen einen Einblick in diese Szene, sonst wären wir auf dem rechten Auge blind."

Friedrich verwies darauf, dass es nach bisherigen Erkenntnissen keine direkte Verbindung zwischen der Zwickauer Neonazi-Zelle und der NPD gibt. "In der Neonazi-Szene gibt es etliche, die Mitglied der NPD sind oder ihr nahestehen. Aber eine direkte Verflechtung zwischen der NSU und der NPD ist mir bisher nicht bekannt", sagte er.

Unterdessen will die Union offenbar einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren wagen. Das wurde laut "Spiegel" beim einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Ministerpräsidenten der Union am vergangenen Donnerstag deutlich.

Es entspräche "der geschichtlichen Verantwortung", der NPD ein Ende zu machen, zitierte das Nachrichtenmagazin die Kanzlerin und berief sich dabei auf Teilnehmerkreise. CSU-Chef Horst Seehofer mahnte demnach: "Wir können nicht auf Bundesparteitagen Beschlüsse fassen und sagen, das war es dann." Unterstützung kam auch von Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU). "Wir dürfen uns davon nicht mehr abschrecken lassen, dass es schiefgehen kann", sagte er.

Unterdessen schlug CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt in der Diskussion über Konsequenzen aus der Gewaltserie der Zwickauer Neonazis vor, der NPD den Geldhahn zuzudrehen. "Eine Partei, in deren Umfeld sich Neonazis und Terrorzellen aufhalten, darf sich nicht mit Staatsgeldern finanzieren", sagte Dobrindt der "Bild am Sonntag". Es "stinkt zum Himmel", dass die NPD über eine Million Euro im Jahr aus Steuergeldern erhalte.

(DAPD/RTR)
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