Kritik an mangelnder individueller Förderung Eltern halten Schule für ungerecht

Berlin (RPO). Das deutsche Schulsystem hat ein Problem. Nicht nur, dass die Leistungen der Schüler immer wieder in der Kritik stehen, nun hadern auch die Eltern selbst damit. Sie halten es für ungerecht, es fehle an individueller Förderung. Das ergab eine Umfrage, die am Freitag vorgestellt wurde.

Juni 2010 - Bildungsstreik in Berlin
8 Bilder

Juni 2010 - Bildungsstreik in Berlin

8 Bilder

Nach der Studie von Infratest dimap, die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellt wurde, halten 51 Prozent der Mütter und Väter das deutsche Schulssystem für ungerecht. Und auch in der Gesamtbevölkerung stimmen 38 Prozent dieser Aussage zu.

Dabei unterscheiden sich die Aussagen der Eltern nach dem Schultyp, in dem ihre Kinder lernen. So sind Eltern von Grundschülern viel zufriedener als die von Haupt- und Realschülern. Bei der ersten Gruppe halten 31 Prozent das System für eher ungerecht, acht Prozent für sehr ungerecht und 57 Prozent halten es sogar für gerecht.

In der zweiten Gruppe dagegen sehen nur 35 Prozent das Schulsystem als gerecht an, 45 Prozent sagen, es ist ungerecht und 13 halten es für sehr ungerecht. Die Eltern von Gymnasiasten sind in dieser Frage gespalten: So sagen 46 Prozent, das System sei gerecht, vier Prozent sogar für sehr gerecht, 39 halten es für ungerecht und zehn für sehr ungerecht.

Selbständigkeit ist Eltern wichtig

Laut der Studie sehen die Eltern einen Hauptgrund für die mangelnde Gerechtigkeit darin, dass Kinder zu wenig individuell gefördert werden. Demnach kritisieren vor allem Mütter und Väter von Grund sowie Haupt- und Realschülern, dass ihre Kinder sich nicht nach ihren Möglichkeiten entwickeln können.

Dabei haben die Eltern aber genaue Vorstellungen, was die wichtigsten Aufgaben für eine Schule sind. Dabei konnten die Befragten zwischen außerordentlich wichtig, sehr wichtig und wichtig unterscheiden. Ganz oben steht die Wissensvermittlung, die 42 Prozent für außerordentlich wichtig halten und 44 Prozent für sehr wichtig.

An zweiter Stelle folgt die Selbständigkeit der Schüler. Dies sehen 32 Prozent als außerordentlich wichtig an und 48 Prozent als wichtig. Aber auch soziales Handeln mit immerhin 26 Prozent bzw. 47 und Persönlichkeitsentfaltung mit 19 bzw. 39 Prozent genießen bei den Eltern hohe Priorität.

Die Umfrage kommt zudem zu dem Ergebnis, dass viele Eltern ihre Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen. 81 Prozent der Mütter und Väter mit hohem Bildungsabschluss helfen bei den Schulaufgaben, 83 Prozent sind es bei den Eltern mit mittlerem Schulabschluss und 57 bei denen mit niedrigem Schulabschluss.

37 Prozent der Befragten mit einem niedrigen Bildungsabschluss gaben dabei an, dass sie nicht in der Lage seien, ihre Kinder ausreichend zu unterstützen. Bei den Eltern mit hohem Abschluss sagen dies nur drei Prozent.

Note 2,4 für Leistungsfähigkeit

Geht es um die Leistungsfähigkeit der Schulen, schneiden sie besser ab. Denn in dieser Kategorie geben die Eltern ihnen eine Note von 2,4. Auch hier gibt es Unterschiede nach der Schulart. Während Eltern von Haupt- und Realschülern die Note 2,6 gaben, war es bei denen von Grundschülern die Note 2,3. In der Gesamtbevölkerung ist diese Ansicht nicht vertreten. Sie geben der Leistungsfähigkeit ein befriedigend.

Aufgrund der Ergebnisse fordert die Bertelsmann-Stiftung mehr individuelle Förderung der Schüler. "Unser Schulsystem muss nicht nur besser, sondern auch gerechter werden", sagte Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Stiftung. "Es darf nicht sein, dass Eltern ihre Kinder bei schulischen Aufgaben unterstützen müssen oder Unterstützung in Form von Nachhilfe kaufen, aber nur Eltern mit höherem Einkommen und Bildungsstand sich diese Unterstützung leisten können."

Die Stiftung will nun einen "Chancenspiegel" in Zusammenarbeit mit dem Institut für Schulentwicklung der Technischen Universität Dortmund erstellen, um zu zeigen, wie Herkunft und Bildungserfolg zusammenhängen. Dann soll es auch möglich sein, nach den Bundesländern zu differenzieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort