Gastland China Eklat vor Frankfurter Buchmesse

Frankfurt/Main (RPO). Bevor die Buchmesse in Frankfurt offiziell begonnen hat, gab es schon den ersten Eklat: Die regimekritische Autorin Dai Qing ergiff trotz Ausladung das Wort auf einem Symposium anlässlich der bevorstehenden Messe, worauf die chinesische Delegation den Raum verließ. Nun räumt der Chef der Messe Fehler ein.

 Der chinesische Regimekritiker Bei Ling gab am Samstag vor dem Institut Cervantes in Frankfurt ein Interview.

Der chinesische Regimekritiker Bei Ling gab am Samstag vor dem Institut Cervantes in Frankfurt ein Interview.

Foto: ddp, ddp

Nach dem Wirbel um die Ausladung regimekritischer Autoren haben die Veranstalter der Buchmesse in Frankfurt am Main Selbstkritik geübt. Es habe "Fehler bei der Absprache" für das umstrittene Symposium an diesem Wochenende gegeben, räumte Buchmesse-Direktor Jürgen Boss im Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" ein. Prinzipiell aber sei die am 14. Oktober beginnende Buchmesse ein "Marktplatz der Freiheit", fügte Boos hinzu und wies Vorwürfe zurück, sein Haus habe sich Zensurwünschen des diesjährigen Messe-Gastlandes China gebeugt.

Auf Intervention chinesischer Offizieller waren die beiden Autoren Dai Qing und Bei Ling zunächst von dem Symposium am Samstag und Sonntag in Frankfurt ausgeladen worden, das die Buchmesse mit organisiert hatte. Beide reisten inzwischen aber dennoch zu dem Kongress nach Frankfurt. Die 68-jährige, aus China nach Deutschland geflogene Dai Qing kritisierte im Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau" scharf das Verhalten der politischen Führung in ihrem Heimatland. "Ich gelte in China als Störenfried. Deshalb möchte die Regierung mich mundtot machen - ganz egal, um welches Thema es geht", wird sie zitiert.

Buchmesse-Direktor Boos sagte, der Eklat um die Ausladung Dai Qings und des im amerikanischen Exil lebenden Bei Ling habe große Aufmerksamkeit auf eine Veranstaltung gelenkt, die sich mit Chinas Image in der Welt beschäftigen solle. "Wir haben genau das erreicht, was wir erreichen wollten", fügte er im "Spiegel" hinzu. Außerhalb des vom Gastland China verantworteten Programms biete die Buchmesse ein großes Forum, bei dem "viele kritische Stimmen" zu Wort kämen. Es werde keinerlei Zugeständnisse an die Machthaber in Peking geben.

Dai Qing beklagt mangelnde Rechtsstaatlichkeit

"Wir reden dem Gastland nicht rein in seine Veranstaltungen, aber wir lassen uns auch nicht reinreden in unsere", hob Boos hervor. Dass die Chinesen einigen kritischen Schriftstellern wie Yan Lianke die Reise nach Deutschland verweigerten, "fällt letztlich auf das Gastland zurück", wird der Buchmesse-Direktor weiter zitiert. Die Messeleitung setze aber auf Diplomatie: "Es ist immer die Frage, was wirksamer ist: öffentliche medienwirksame Gegenrede über China oder das Gespräch mit China." Die Buchmesse verstehe sich als Plattform, auf der man über die kritischen Themen des Landes sprechen wolle.

Die trotz der Auslandung nach Frankfurt gereiste chinesische Schriftstellerin Dai Qing beklagte die mangelnde Rechtsstaatlichkeit ihres Heimatlandes. "Wie kann in China von Freiheit die Rede sein, wenn meine persönliche Freiheit bei einem kurzen Auftritt bei einer kleinen Konferenz in Frankfurt schon endet", zitieren sie die "Frankfurter Rundschau" und die "Berliner Zeitung". Dabei sei es "überhaupt nicht so, dass ich nur schlecht über mein Land oder unser System reden würde", fügte Dai Qing hinzu.

"Nun fasst sich ganz Deutschland an den Kopf"

Sie wolle das Leben in China verbessern, und schreibe deswegen Artikel über Umweltschutz und Geschichte. "Und wenn ich China dabei kritisiere, dann nur, weil ich China liebe." Im Fall der Buchmesse habe die chinesische Regierung einen gewaltigen Fehler gemacht, kritisierte die Autorin. "Hätte sie mich von vornherein nach Frankfurt fahren lassen, wäre meine Anwesenheit nie ein Medienthema geworden. Ich hätte in einem kleinen Saal zu ein paar hundert Leuten gesprochen, und alle hätten hinterher gesagt, dass die chinesische Regierung inzwischen sehr tolerant und souverän sei. Aber nun beschäftigt sich ganz Deutschland mit dem Thema und fasst sich an den Kopf."

(AP/sdr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort