Krisensitzung nach Alkoholfahrt EKD spricht Käßmann das Vertrauen aus

Hannover (RPO). Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stellt sich hinter Margot Käßmann. Nach einer nächtlichen Krisensitzung sprachen die 14 Vertreter der Bischöfin das Vertrauen aus. Das teilte die EKD am Mittwochmorgen mit. Ein kleiner Vorbehalt bleibt allerdings.

Margot Käßmann: Frau voller Widersprüche
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Sämtliche 14 Mitglieder des Rates hätten am Dienstagabend eine Telefonkonferenz abgehalten und der Vorsitzenden dabei einmütig ihr Vertrauen bekundet. Auf einer regulären Sitzung, die noch in dieser Woche stattfindet, solle eine abschließende Bewertung vorgenommen werden. "In ungeteiltem Vertrauen überlässt der Rat seiner Vorsitzenden die Entscheidung über den Weg, der dann gemeinsam eingeschlagen werden soll", hieß es in der Mitteilung.

Mit EKD-Präses Katrin Göring Eckardt äußerte sich erstmals ein führendes EKD-Mitglied kritisch. Sie bezeichnete Käßmanns Verhalten als nicht akzeptabel. "Das ist nicht akzeptabel, dass man mit 1,5 Promille Auto fährt", sagte Göring-Eckardt am Dienstagabend der Tagesschau. Sie wisse aus Gesprächen mit Käßmann, dass diese von ihrem Fehlverhalten selbst am meisten getroffen sei, und deshalb respektiere sie, dass sich Käßmann jetzt für eine Zeit zurückziehen werde. Aber sie schätze ihre Arbeit außerordentlich.

Nach ihrer Trunkenheitsfahrt gerät Käßmann zusehends unter Druck. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde am Samstag mit 1,54 Promille Alkohol im Blut stark betrunken am Steuer ihres Dienstwagens gestoppt. Es war der erste Samstag in der Fastenzeit. Zuvor hatte Käßmann eine rote Ampel überfahren. Laut Bild-Zeitung war sie dabei nicht allein. Auf dem Beifahrersaitz habe neben ihr eine unbekannte männliche Person gesessen. Die Polizei habe jedoch versäumt, dessen Personalien aufzunehmen.

Am späten Montagabend wollte der Rat der EKD in einer Telefonkonferenz über den Vorfall beraten. Eine Sprecherin kündigte eine öffentliche Erklärung für den Vormittag an. Mit einer Entscheidung über die Zukunft Käßmanns sei aber wohl nicht zu rechnen, erklärte EKD-Sprecher Reinhard Mawick. Zuvor hatte die Bischöfin alle öffentlichen Termine bis auf weiteres abgesagt.

Der Staatsanwalt ermittelt

Formell droht der Bischöfin vonseiten der EKD so wie anderen Kirchenvertretern nach vergleichbaren Alkoholvergehen eine Rüge. Aber nichts scheint derzeit ausgeschlossen. Auch von Rücktritt ist immer wieder die Rede. Käßmann ist bekannt dafür, dass sie selbst am härtesten mit sich ins Gericht geht.

Darüberhinaus ermittelt der Staatswanwalt. Ab 1,1 Promille liegt in Deutschland absolute Fahruntüchtigkeit und eine Straftat vor. Käßmanns Führerschein wurde eingezogen, ein Strafverfahren eingeleitet. In der "Bild"-Zeitung zeigte sich Käßmann reumütig: "Ich bin über mich selbst erschrocken, dass ich einen so schlimmen Fehler gemacht habe. Mir ist bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer ist. Den rechtlichen Konsequenzen werde ich mich selbstverständlich stellen." Weiter äußerte sich Käßmann zunächst nicht.

In den bisherigen Reaktionen überwiegen die moderaten Stimmen, die Käßmanns verhalten als nur allzu menschlichen Fehler bewerten.

Keine Heilige

Günther Beckstein, stellvertretender Vorsitzender der EKD-Synode, sieht in der Alkoholfahrt keinen Grund für einen Rücktritt. Den "Nürnberger Nachrichten" sagte er, Käßmann habe sicher einen Fehler begangen. "Aber dieser Fehler wird nicht dazu führen, dass sie von ihrem Amt zurücktreten muss. Auch eine Bischöfin ist keine Heilige, sondern nur ein Mensch, der fehlbar ist." Beckstein hatte selbst im Herbst 2008 eine heftige Debatte ausgelöst, als er sagte, dass er das Autofahren nach dem Genuss von zwei Litern Bier unter bestimmten Umständen für vertretbar halte: "Wenn man die zwei Maß in sechs, sieben Stunden auf dem Oktoberfest trinkt, ist es noch möglich."

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hofft auf Rückendeckung für die EKD-Ratsvorsitzende. Er hoffe, dass die Gläubigen der Landeskirche Niedersachsen und die Bischofskollegen der EKD zu Käßmann stehen und sie stützen, sagte Thierse den "Stuttgarter Nachrichten" und der "Kölnischen Rundschau". Geistliche seien auch nur Menschen. Käßmann genieße durch ihre öffentlichen Bekenntnisse zu ihrer Scheidung und Krebserkrankung einen großen Sympathievorsprung und er glaube nicht, dass dieser Vorsprung nun aufgebraucht sei. Thierse bedauerte zudem "eine verbreitete Häme".

Gegner formieren sich

Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche", sagte, Alkohol komme wie in anderen Gesellschaftsbereichen auch in Kirchenkreisen vor. "Ihr Rücktritt wäre übertrieben. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen."

Intern hat Käßmann in der EKD jedoch nicht nur glühende Anhönger, sondern auch Gegner. Die Reformerin wird von den meist konservativen Kräften argwöhnisch beäugt. Eine Frau und dazu auch noch eine geschiedene an der Spitze der Kirche. Auch die öffentliche Kritik am Afghanistaneinsatz der Bundeswehr hatte Widerspruch hervorgerufen. Der Vorsitzende der konservativen Protestanten, der Hamburger Pfarrer Ulrich Rüß erhob am Montag als einer der ersten die Stimme: "Diese Alkoholfahrt von Frau Käßmann ist der Super-Gau, der wohl auch Konsequenzen haben muss", zitiert den Leiter der Konferenz Bekennender Gemeinschaften die Leipziger Volkszeitung.

(apd/pst)
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