Flüchtlinge halten Gebäude besetzt Eine Schule mitten in Berlin

Berlin · Der Konflikt um die Flüchtlinge in der Berliner Gerhart-Hauptmann-Schule schwelt schon seit geraumer Zeit. Seit die Polizei das Gebäude und die Umgebung sichert, ist er eskaliert. Die Frage steht im Raum, ob und wann die Schule geräumt wird. Insbesondere die grüne Bezirksregierung steht vor einem Dilemma.

Gerhart-Hauptmann-Schule: Räumung mit Hindernissen
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Foto: dpa, fs soe

Es war im Jahr 2012, als Flüchtlinge in einem Protestmarsch von Bayern nach Berlin zogen. Sie protestierten gegen die europäische Asylpolitik und auch gegen die Residenzpflicht, nach dem sie sich nur in dem ihnen zugewiesenen Regierungsbezirk aufhalten dürfen. Während ein ähnlicher Marsch im vergangenen Jahr schon nach wenigen Kilometern gestoppt worden war, war es den Flüchtlingen 2012 tatsächlich gelungen, nach Berlin zu kommen.

Seither harrten sie dort aus — einige in Zelten auf dem Oranienplatz im alternativen Kreuzberg, andere in jener Schule, die nun im Mittelpunkt des Interesses steht. Lange duldete die grüne Bezirksregierung die Situation, mehr als anderthalb Jahre passierte nichts. Doch Berichte über unwürdige Zustände in der einst leerstehenden Schule machten bald die Runde, es gab zu wenig Toiletten und Duschen und immer mehr eskalierende Streitigkeiten unter den Bewohnern. Messerstechereien und ein Toter waren die Folge. Doch Appelle der im Bezirk politisch dominierenden Grünen an die Bewohner, die Schule zu verlassen, verhallten ungehört.

Die meisten Flüchtlinge gingen — 40 blieben

Seither stand die Frage im Raum, wie mit dem Problem umgegangen werden sollte. Am Dienstag vor einer Woche rückte dann die Polizei mit einem Großaufgebot an, sicherte das Gebäude, die Flüchtlinge wurden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen, um in andere Unterkünfte gebracht zu werden. Die meisten von ihnen kamen der Aufforderung nach, doch 40 Flüchtlinge ließen sich nicht zum Gehen überreden, auch angesichts dessen, dass viele Bewohner keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben.

"Wir vertrauen niemandem mehr", sagte der Sudanese Mohammed der "Zeit" in einem Telefongespräch. "Wir wollen schwarz oder weiß, keine Kompromisse." Und er spricht von einem "totalen Chaos" im Haus. Es gebe "kein gutes Wasser, nur ein paar Matratzen, keine Möbel". Viele der Flüchtlinge, die noch in der Schule ausharren, fordern nun ein Bleiberecht. Das aber muss Innensenator Frank Henkel (CDU) gewähren. Bislang hat er das nicht getan und bringt damit die grüne Bezirksregierung in die Zwickmühle.

Denn die Grünen hatten von Anfang an betont, dass sie die Schule nicht räumen lassen wollen. Gerade im alternativen Kreuzberg setzt man weniger auf Polizeipräsenz denn auf ein friedliches Miteinander. Doch der Konflikt drohte mehr und mehr zu eskalieren, die Bezirksregierung musste handeln. Sie will einerseits die Schule umbauen lassen, um den Flüchtlingen eine dauerhafte Bleibe ermöglichen zu können, andererseits aber auch nicht, dass der Zulauf sich wieder ungewollt erhöht. Am Dienstag forderte denn auch die Polizei ultimativ eine Entscheidung des Stadtbezirks: Entweder wird geräumt oder der aufwändige Einsatz werde beendet.

Bezirk ringt sich zu Räumung durch

Und so blieb den Grünen fast nichts anders übrig, als ein Amtshilfeersuchen bei der Berliner Polizei zu stellen, das auch die Räumung des Gebäudes beinhaltet. Man wolle die "Rückgabe der Verfügungsgewalt an den Bezirk als Eigentümer der Immobilie, um den Brandschutz und die Sicherheit des Gebäudes zu gewährleisten", ließ Hans Panhoff, Stadtrat für Planen, Bauen und Umwelt, mitteilen. Zunächst, so Panhoff weiter, werde die Polizei aber mit den Menschen im Haus verhandeln. Und er gehe davon aus, dass es weiter eine Chance auf eine friedliche Lösung gebe.

Ziel der Verhandlungen soll laut dem Stadtrat sein, dass die Forderungen nach einem Verbleib in der Schule erfüllt werden können. Er betonte aber noch einmal, dass Forderungen wie ein Bleiberecht oder die Abschaffung der Residenzpflicht zwar politisch unterstützt, aber vom Bezirk nicht erfüllt werden können. Auch betonte er, dass das Ersuchen bei einer Einigung mit den Flüchtlingen zurückgezogen werde.

Auch Innensenator Henkel hatte das Ersuchen des Bezirks begrüßt und äußerte sich in der rbb-Abendschau zufrieden darüber. Die Situation der vergangenen Monate habe niemand außer den Kreuberger Grünen verstanden. Und er zeigte sich sicher, dass die Polizei besonnen handeln werde.

Diese hatte am Morgen die Lage noch einmal erörtert. Am Ende gab es nur ein Ergebnis: "Die Situation ist weiter unverändert, eine Räumung steht nicht unmittelbar bevor", zitiert der Berliner "Tagesspiegel" Sprecher Stefan Redlich. Und so heißt es für Flüchtlinge, Aktivisten und auch die Kreuzberger Anwohner weiter: warten.

mit Agenturmaterial

(das)
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