Terrorverdacht gegen Ralf Wohlleben Ein überzeugter Neonazi

Düsseldorf · Die Vorwürfe gegen den bekennenden Rechtsextremisten Ralf Wohlleben wiegen schwer. Ihm wird vorgeworfen, die Zwickauer Terrorzelle tatkräftig bei mehreren Bluttaten unterstützt zu haben. Der Bundesgerichtshof nahm den Mann am Dienstag in Untersuchungshaft. Er galt den Fahndern schon lange als eine Schlüsselfigur im braunen Sumpf von Thüringen.

Ralf Wohlleben - im Dunstkreis der NSU
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Die Bundesanwaltschaft teilte am Dienstag mit, der 36-jährige Wohlleben sei der Beihilfe zu sechs Morden und zu einem Mordversuch der terroristischen Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) dringend verdächtig. Wohlleben soll den Mitgliedern der Gruppe eine Schusswaffe samt Munition zugeschanzt haben. Am Vormittag wurde der Haftbefehl des Ermittlungsrichters vollstreckt.

"Schusswaffe nebst Munition"

"Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, der 'NSU' 2001 oder 2002 eine Schusswaffe nebst Munition verschafft zu haben", teilte die Bundesanwaltschaft mit. Diese habe er über einen Kurier übergeben, der sie dem Trio nach Zwickau brachte. "Dabei nahm der Beschuldigte billigend in Kauf, dass die Schusswaffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden könnte."

Die Vorwürfe reichen zurück bis in die 90er Jahre. Schon beim Untertauchen des Terror-Trios im Jahr 1998 hatte Wohlleben vermutlich die Finger im Spiel. Er soll den drei Nazis Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt damals sein Auto zur Flucht überlassen haben, besagt eine Notiz des Landesverfassungsschutzes.

"Kameradschaft Jena"

Zuvor pflegte Wohlleben intensiven Kontakt zu dem Terror-Trio. Mit ihm zusammen gründet er die "Kameradschaft Jena", eine militante Gruppe mit elitärem Selbstverständnis und sechs Mitgliedern: Wohlleben, Zschäpe, Bönhardt und Mundlos sowie Holger G. und André K. Mundlos und Bönhardt sind tot, der Rest der Sechser-Bande ist mittlerweile festgenommen und sitzt in U-Haft. Alle stehen dringend unter Verdacht, durch ein konspiratives Netzwerk die Umtriebe der Terror-Nazis unterstützt und erst ermöglicht zu haben.

Schon am vergangenen Donnerstag war der ehemalige Landesvize der NPD in Thüringen in den Fokus der Fahnder geraten. Es kam wegen der Naziterror-Ermittlungen zu einer Hausdurchsuchung. Festgenommen wurde Wohlleben nicht. Er gab an, seit 1998 keinen Kontakt mehr zu dem Trio gehabt zu haben.

Spuren im Handy?

Unter anderem nahmen die Ermittler sein Handy mit. Möglicherweise hat es der Justiz weitere Verdachtsmomente geliefert, die nur Festnahme führten. Am Tag der Durchsuchung gab sich Wohlleben noch selbstsicher. "Ich glaube nicht, dass der Vorwurf des Bundeskriminalamts so weit geht, dass es zu meiner Verhaftung reicht", sagte er der "Ostthüringer Zeitung" ("OTZ").

An seiner rechtsextremen Gesinnung hat Wohlleben nie einen Zweifel gelassen. Politisch auffällig wird er seit Mitte der 90er. Durch sein Engagement in der "Anti-Antifa Ostthüringen" und dem "Thüringer Heimatschutz" (THS) macht er sich rasch einen Namen als einer der führenden Köpfe der rechtsextremen Szene.

Kundgebungen und Demonstrationen

Wohlleben ist politisch umtriebig, organisiert Kundgebungen und Demonstrationen. Er tritt öffentlich auf bei Veranstaltungen auf wie dem "Fest der Völker - Für ein Europa der Vaterländer", wo sich die Elite der europäischen Rechtsextremen sammelt, den Holocaust leugnen und Hetzreden gegen Ausländer schwingen.

In seiner Heimat Jena bündelt Wohlleben die Szene im sogenannten braunen Haus, einem Fachwerkhaus im Stadtteil Lobeda, das schnell zum bundesweit bekannten Sammelpunkt von Neonazis wird. Ein Bild aus früheren Tagen zeigt, wie es damals dort zuging: "Braune haben bessere Laune", ist auf einem Transparent zu lesen, das aus dem Fenster hängt.

Jagd auf "linke" Adressen

Ein ehemaliger Weggefährte beschrieb Wohlleben einmal im Nachrichtenmagazin "Spiegel" als "absoluten Rassisten mit hohem Gewaltpotential". Die Einschätzung stützt auch der Eintrag in seiner Strafakte: So wurde Wohlleben bereits im März 2000 wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung verurteilt. Er hatte zusammen mit einem Kumpanen versucht, von zwei Frauen die Adressen linker Jugendlicher zu bekommen.

Für die NPD war Wohlleben jahrelang aktiv. Den Einstieg macht er 1998, kurz nach dem Abtauchen des Terror-Trios. In Jena gründet er den Kreisverband und wird dessen Vorsitzender. Er macht Karriere und bringt es im Landesverband zum Vize. 2005 kandidiert er auf der Landesliste auch für den Bundestag. 2009 trat er aus angeblich "persönlichen" Gründen aus der Partei aus.

Der Thüringer Verfassungsschutz hatte Wohlleben seit Jahren im Blick. Sie sehen in ihm ein Bindeglied zwischen der Funktionärsebene der NPD und der Neonaziszene in Thüringen. Die Diskussion um ein NPD-Verbot dürfte neue Nahrung bekommen.

(pst)
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