"Ein gelebtes Märchen" Ein Bergarbeiter ist König in Ghana

Duisburg (RP). Francis Wettey aus Ghana hat 30 Jahre im Ruhrgebiet unter Tage malocht. Dann musste er dem königlichen Ruf seines Volkes folgen. Heute lebt der ehemalige Bergmann in einem Palast.

Eine goldene Krone ziert sein Haupt. Funkelnde Ketten hängen um den Hals. An jedem Finger glänzt ein schwerer Goldring. Nai Agyemang Wyettey OtabiIII. hält Einzug ins Rathaus Duisburg, die Stadtväter erweisen ihm die Ehre. Kameras surren, das Gefolge hält sich diskret im Hintergrund. "Hoch lebe der König." Wenige Stunden später in Rheinhausen. Siedlungsbau, erster Stock, Drei-Zimmerwohnung, 76 Quadratmeter. Seine Durchlaucht sitzt auf einem Sofa in seinem Wohnzimmer und sieht Fernsehen. "Ich wollte ja nie König werden", sagt der Herrscher über ein Land so groß wie NRW und zuckt verlegen mit den Schultern. Es ist eine Geschichte wie aus Kinderbüchern oder wie Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland sagt: "Ein gelebtes Märchen."

Der märchenhafte Aufstieg beginnt im Jahr 1979: Nai Agyemang Wyettey OtabiIII. vom Stamm der "Fante" kommt als Francis Wettey aus Ghana nach Duisburg. Fasziniert von gigantischen Fördertürmen und rauchenden Schloten des Ruhrgebietes kennt der junge Mann nur einen Wunsch: "Ich will Bergmann werden."

Wenig später macht er als Hauer auf SchachtIII in Moers seine Ausbildung, fährt danach bei Prosper Haniel in Bottrop unter Tage. Francis Wettey ist glücklich. Er freundet sich mit den Kumpeln an und gründete in Rheinhausen eine Familie. Doch das Schicksal wendet sich noch ein Mal.

Francis Wettey wird bei einem Grubenunglück verschüttet und erleidet schwere Verletzungen am Knie. Die Folge: Er muss in Frührente gehen. Viel Zeit, die Beine hochzulegen, hat der pensionierte Bergmann seither allerdings nicht gefunden. Er musste schließlich König werden.

"Schon als Kind sagte man mir, dass ich aus einer königlichen Familie stamme", erzählt der 51-Jährige. Nie aber war die Rede, dass er eines Tages selber den Thron besteigen soll. Bis vor zwei Jahren bei einem Heimaturlaub in Ghana. Sein Volk suchte fieberhaft einen Thronfolger - die Wahl fiel aus heiterem Himmel auf Wettey. "Gegen den Ruf des Volkes kann man sich nicht wehren", sagt er. In Ghana glauben die Menschen an Geister und Vorhersehungen. Dass Wettey mittlerweile als Christ an Gott glaubt, konnte seine Krönung zu Nai Agyemang Wyettey Otabi III. auch nicht verhindern.

Klar, in seinem Leben hat sich einiges geändert. Statt in einer Arbeitersiedlung lebt er nun in einem feinem Palast, statt mit Bergleuten zu palavern, befehligt er ein Herr aus Dienern und Beamten. Und statt fernzusehen, muss er nun regieren.

"Ich will ein guter König sein", sagt Wettey und schaltet die Flimmerkiste ab. Keine leichte Aufgabe, angesichts der Größe seines Reiches. Der Monarch entscheidet vor allem bei Erbstreitigkeiten und kleineren Kriminaldelikten. Als König wird er vor wichtigen landespolitischen Entscheidungen konsultiert und dient als Mittler zwischen Zentralregierung und Volk. "Ich hoffe, er hilft den Menschen in Ghana und wird ein guter Stammeskönig", sagt sein Sohn Frederik.

Die Familie ist mächtig stolz auf ihr geadeltes Oberhaupt - mitregieren will sie aber nicht. "Nein, wir bleiben lieber in Duisburg", sagt seine Frau, die auch aus Ghana stammt. Der 20-jährige Sohn beginnt in Kürze ein Wirtschaftsstudium, und der Jüngste soll ebenfalls in Deutschland zur Schule gehen. Wettey aber, der bisher meist per Telefon regierte, wird am 21.August nach Ghana übersiedeln und dort seine Staatsgeschäfte regeln.

Leicht fällt ihm der Abschied aus dem Ruhrgebiet nicht. Schon bald sitzt der König alleine in seinem großen Palast und sehnt sich nach Familie und gemütlichen Fernsehabenden. "In Duisburg-Rheinhausen, da fühle mich heimisch", sagt der König wider Willen.

(Rheinische Post)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort