Prozess gegen S-Bahn-Schläger von Müchen-Solln Ein Angeklagter legt Geständnis ab

München (RPO). Zehn Monate nach der tödlichen Prügelattacke auf Dominik Brunner am Münchner S-Bahnhof Solln hat der Prozess gegen den 18-jährigen Markus S. und den zur Tatzeit noch 17 Jahre alten Sebastian L. begonnen. Brunners Vater nahm als Nebenkläger an dem Prozess teil. Nachdem die Anklage verlesen worden war, hat der Ältere der Angeklagten ein Geständnis abgelegt, dem Opfer allerdings eine Mitschuld zugesprochen.

Prozessauftakt im Mordfall Brunner
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Sebastian L. erhob außerdem schwere Vorwürfe gegen seinen mitangeklagten Freund. Der 18-Jährige sagte am Dienstag in der Verhandlung vor dem Münchner Landgericht, der ein Jahr ältere Markus S. habe auf den bereits am Boden liegenden 50-Jährigen eingetreten und mit dem Fuß auf dessen Kopf gezielt. Er habe ihn daraufhin aufgefordert, aufzuhören, schilderte der Jüngere den Tatablauf vor Gericht. Sowohl er selbst als auch S. hätten vor der Tat Alkohol getrunken - "Bier und ein paar Schluck Wodka".

Anklage verlesen

Die beiden Schläger ließen das Blitzlichtgewitter der Fotografen regungslos über sich ergehen, als sie am Montag in Handschellen in den Verhandlungssaal des Landgerichts München geführt wurden.

Im Prozess um die tödliche Prügelattacke gegen Brunner hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag vor der Jugendkammer des Landgerichts München I die Anklage verlesen. Nach der bisher unter Verschluss gehaltenen Anklageschrift fügten die zwei wegen Mordes angeklagten Heranwachsenden Markus S. und Sebastian L. Brunner innerhalb von nur einer Minute mit Tritten und Schlägen insgesamt 22 schwere und schwerste Verletzungen zu, die in ihrer Gesamtheit zum Tod des 50-Jährigen führten.

Ein Täter legt Geständnis ab - gibt Opfer aber Mitschuld

Der 18-jährige Angeklagte hat ein Geständnis abgelegt, dabei aber den Mordvorwurf der Staatsanwaltschaft bestritten. "Ich weiß, dass das, was ich getan habe, nicht zu entschuldigen ist und dass ich absolut falsch reagiert habe. Mir tut der Tod des Herrn Brunner so unendlich leid, ich kann es nicht beschreiben", sagte der zur Tatzeit 18-jährige Markus S. zum Prozessauftakt. Er habe zu keinem Zeitpunkt mit dem Tod Brunners gerechnet, geschweige denn diesen gewollt.

In einer von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung gab S. Brunner allerdings eine Mitschuld an der Eskalation am S-Bahnhof Solln. Demnach seien er und L. an dem Bahnhof zwar zusammen mit Brunner und den 13- bis 15-Jährigen ausgestiegen. Allerdings nicht mit dem Ziel, Brunner anzugreifen. "Ich sah dann eine Jacke am Boden liegen und der ältere Mann tänzelte plötzlich mit erhobenen Fäusten vor mir und Basti rum", hieß es in der Erklärung. Dann habe Brunner auf einmal als Erster zugeschlagen. "Ich muss dann wohl völlig die Kontrolle über mich verloren haben", erklärte S.

Er könne sich aber nicht mehr daran erinnern, was dann genau geschehen ist. Er könne daher auch nicht ausschließen, dass er zugetreten habe. Nach eigenen Angaben war S. zur Tatzeit betrunken, er habe am Nachmittag des Tattags zweieinhalb Liter Bier und eine halbe Flasche Wodka getrunken.

Die Bluttat hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler verlieh Brunner für seine Zivilcourage posthum das Bundesverdienstkreuz. Die vorbestraften jungen Männer wurden an den Bahngleisen gefasst und gestanden die Tat. Der Ältere, Markus S., bat später bei Brunners Eltern schriftlich für "diesen Blackout" um Entschuldigung.

57 Zeugen und Sachverständige geladen

Die beiden jungen Männer hatten am 12. September vergangenen Jahres mit einem Komplizen zusammen vier Schülerinnen und Schüler im Alter von 13 bis 15 Jahren geschlagen und 15 Euro gefordert. Als die beiden die Schüler in der S-Bahn erneut bedrohten, stellte sich Brunner dazwischen und informierte über Handy die Polizei. Nachdem er mit den Kindern in Solln ausgestiegen war, schlugen und traten die Täter so massiv auf seinen Kopf und Körper ein, dass er kurz darauf in der Universitätsklinik starb. Bei der Obduktion wurden 44 Verletzungen festgestellt.

Die Jugendkammer des Landgerichts hat 57 Zeugen und Sachverständige geladen. Brunners Vater und zwei der Schüler treten im Prozess als als Nebenkläger auf. Schon in zwei Wochen will das Gericht sein Urteil verkünden. Bei einer Verurteilung wegen Mordes drohen Sebastian L. zehn Jahre, Markus S. sogar lebenslange Haft. Die Jugendkammer unter dem Vorsitz von Richter Reinhold Baier hatte vor zwei Jahren zwei ebenfalls 17 und 18 Jahre alte U-Bahn-Schläger, die einen Rentner mit Tritten lebensgefährlich verletzten, zu achteinhalb und zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.

Dichter Zeitplan

Auf Antrag der Verteidigung wurde der Prozess sofort nach der Eröffnung für eine dreiviertel Stunde bis 10.30 Uhr unterbrochen. Die Rechtsanwälte wollten die Besetzung der Kammer überprüfen.

Wie Gerichtssprecherin Margarete Nötzel sagte, sollen in dem Prozess zunächst Polizeibeamte und einer der vier Schüler als Zeugen vernommen werden. Die drei anderen Kinder sollen am Donnerstag aussagen. Der bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Komplize Christoph T. soll am Freitag gehört werden.

Am 20. Juli soll der S-Bahnführer aussagen, der die Sekunden vor dem Beginn der Prügelei aus nächster Nähe beobachtete. Für den 27. Juli sind Sachverständige geladen - darunter ein Psychiater und ein Psychologe, die über die Schuldfähigkeit und den Entwicklungsstand der beiden Angeklagten wichtige Aussagen machen sollen. Bisher plant das Gericht, das Urteil am 29. Juli zu verkünden.

(apd/afp/felt)
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