Überfälle auf Geldtransporter Das düstere Erbe des RAF-Terrors

Düsseldorf · Der RAF-Terror erschütterte in den 70er Jahren die BRD. Die Regierung erwies sich jedoch als standhaft, und die Justiz blieb rechtsstaatlich. Die Kehrseite des Erfolgs: Viele Taten blieben ungesühnt. Jetzt führen Gen-Spuren von zwei Überfällen zu drei Verdächtigen von damals.

 Dieses undatierte Foto zeigt die gesuchten Ex-RAF-Terroristen Burkhard Garweg, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Daniela Klette.

Dieses undatierte Foto zeigt die gesuchten Ex-RAF-Terroristen Burkhard Garweg, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Daniela Klette.

Foto: ap

Es sind zwei Daten, die in jüngerer Zeit einen markanten Einschnitt in die Geschichte des deutschen Links-Terrorismus bedeuteten. Im März 1998 erklärte die einst so gefürchtete Rote-Armee-Fraktion (RAF) in einem letzten Schreiben ihre Auflösung: "Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Die Polizei sah die Erklärung als authentisch an. Der zweite Einschnitt erregte weniger Aufsehen. Im Mai des vergangenen Jahres schloss die Bundesanwaltschaft die Akten zum Mordfall Siegfried Buback. Die obersten Strafverfolger stellten die Ermittlungen wegen des 1977 verübten Attentats auf den früheren Generalbundesanwalt ein. Obwohl alle Beschuldigten langjährige Haftstrafen verbüßt hatten, wurde letztlich nie geklärt, wer den tödlichen Schuss vom Motorrad auf Buback abgegeben hatte.

Beide Fälle sind typisch für die Geschichte und Aufarbeitung des RAF-Terrors in Deutschland. Die Bedrohung wurde zwar mit weitgehend rechtsstaatlichen Mitteln überwunden. Die genauen Tathergänge blieben aber zum großen Teil im Dunkeln. Gerade über die Hintergründe der jüngeren Taten weiß die Polizei im Grunde nicht Bescheid. Und ob die Reste der RAF, die jetzt die jüngsten Raubüberfälle verübt hatten, jemals zur Rechenschaft gezogen werden, ist ungewiss. Ebenso wie die Frage, ob es sich dabei um terroristische oder lediglich kriminelle Taten einer für ein normales Leben verlorenen Gruppe handelte.

Die Anschläge der RAF haben das politische System der Bundesrepublik elementar herausgefordert. Sie entstanden aus der Revolte der 60er Jahre gegen das damalige bundesdeutsche Establishment, das sich personell noch nicht völlig vom Apparat des Nationalsozialismus gelöst hatte. Das gab den Tätern in der eigenen Wahrnehmung eine Art von Rechtfertigung für ihre blutigen Taten. Davon unabhängig hat jede Macht, ob demokratisch legitimiert oder nicht, eine - bisweilen recht kleine - fundamentale Opposition. Das war im alten Ägypten und dem Römischen Reich, aber auch in China, dem Habsburger Reich oder dem britischen Empire der Fall. Die so gut organisierte Bundesrepublik mit ihrem System des sozialen Ausgleichs machte da keine Ausnahme. Sie hatte die RAF in den 70er Jahren zu erdulden, wie auch andere Länder mit vorbildlichen Sozialsystemen wie Schweden oder die Niederlande von politisch motivierten Gewalttaten heimgesucht wurden, von Frankreich oder Italien ganz zu schweigen.

Die RAF hat mehr als zwei Jahrzehnte lang die Bundesrepublik terrorisiert. 60 Tote und 230 Verletzte waren am Ende zu beklagen, darunter 26 Terroristen. Die RAF ermordete hohe Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik wie den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer oder den Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto. Aber auch der Fahrer und die Sicherheitsleute von Schleyer, Mitarbeiter des Springer-Verlags und unschuldige Passanten wurden zu Opfern der marxistisch ausgerichteten Terroristen. Trauriger Höhepunkt der RAF-Untaten war 1976 die Beteiligung an der Entführung einer Air-France-Maschine im ugandischen Entebbe, als zwei deutsche Terroristen jüdische und nichtjüdische Passagiere selektierten.

Die Terroristen unterteilten sich in mehrere Generationen, die nur bedingt eng miteinander verbunden waren. Es begann mit dem Kaufhaus-Brandstifter Andreas Baader und der Journalistin Ulrike Meinhof, die als Baader-Meinhof-Gruppe sich bei Gewalttaten gegen Sachen so radikalisierten, dass sie schließlich auch bei Personen nicht Halt machten. Die zweite Generation um Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar, die beide heute noch zurückgezogen inzwischen in Freiheit leben, machten sich daran, ihre inzwischen verhafteten Genossen aus den Gefängnissen zu holen. Am ominösesten ist die "dritte Generation" der RAF. Ihre Täter sind kaum bekannt. Doch auf ihr Konto gehen eine Vielzahl von Morden - etwa an dem MTU-Vorstandschef Ernst Zimmermann (1985), dem Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts (1986), dem Bonner Spitzendiplomaten Gerold von Braunmühl (1986), Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991).

Wie Leser die Zeit des RAF-Terrors erlebten
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Foto: RAF-Logo

Die Reste der RAF werden von manchen Experten als "vierte Generation" geführt. Es handelt sich aber eher um untergetauchte Personen der "dritten Generation", die wie Daniela Klette, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Burkhard Garweg der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Doch die meisten Terrorexperten sind sich einig, dass von dieser Gruppe kaum eine Gefährdung ausgeht. Obwohl versprengte RAF-Kader bisweilen durch spektakuläre Überfälle wie den von 1999 in Duisburg-Rheinhausen auffielen, bei dem die Täter rund eine Million Mark aus einem Geldtransporter erbeuteten. Die brutalen, aber letztlich erfolglosen Raubzüge des vergangenen Jahres gehören auch dazu. Deshalb verwundert es nicht, dass manche wie der Dresdner Terrorexperte Butz Peters argwöhnen, es gehe den versprengten Terroristen vornehmlich um ihr Auskommen im Alter.

Ein anderer Beleg gibt freilich zu denken. So fand ein Forscherteam der Freien Universität Berlin unter Leitung von Klaus Schroeder heraus, dass auch der Linksextremismus größere Bevölkerungsgruppen anzieht. Darunter zählen sie eine Putin-Begeisterung und Freude an Aktionen von Links-Autonomen. Das "linksextremistische Personenpotenzial" liegt laut der Studie bei 17 Prozent der Bevölkerung (Westen: 14 Prozent, Osten: 28 Prozent). Die Gruppe lehnt die wirtschaftliche wie politische Ordnung der Bundesrepublik radikal ab. Jeder Fünfte sieht die Gefahr eines "neuen Faschismus" heraufziehen - nicht in Russland, sondern in der Bundesrepublik. Auch das ist offenbar ein Erbe der RAF.

(kes)
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