Polizei weist Kritik zurück Diskussionen um „Stammbaumforschung“ nach Stuttgarter Krawallnacht

Stuttgart · Nach der Krawallnacht in Stuttgart sorgen die Ermittlungen der Polizei zur Herkunft der Familien der mutmaßlichen Gewalttäter für Diskussionen. Die Polizei und der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl weisen die Kritik von sich.

Für eine "umfassende Feststellung der Lebens- und Familienverhältnisse der bereits bekannten Tatverdächtigen" werde "in einzelnen Fällen die Nationalität der Eltern, und nur der Eltern, von Tatverdächtigen durch Anfragen beim Standesamt erhoben", teilte die Stuttgarter Polizei am Sonntag mit. Dabei gehe es darum zu klären, ob ein Migrationshintergrund gegeben sei.

Dass dies in der Berichterstattung von Medien als "Stammbaumforschung" bezeichnet werde, sei "nicht korrekt", erklärte die Polizei. Schließlich sei bei der Strafverfolgung die "Einbeziehung aller persönlichen Umstände der Tatverdächtigen" notwendig. Auch für die Ausarbeitung von Präventionskonzepten insbesondere für junge Menschen wollten die Behörden "die persönlichen Lebensumstände, wie auch einen potenziellen Migrationshintergrund, miteinbeziehen".

"Die Feststellung der Lebens- und Familienverhältnisse ist ein Teil der polizeilichen Ermittlungen", hob auch der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Sonntag in einer Erklärung hervor. Dies sei "eine Selbstverständlichkeit in einem Strafverfahren". "Insofern stehe ich auch in diesem Punkt zur Arbeit und hinter unserer Polizei", erklärte der CDU-Politiker.

Strobl betonte, die Ausschreitungen in Stuttgart ließen "ein bislang unbekanntes Gewalt- und Eskalationspotential der Beteiligten erkennen". Daran würden auch die Ermittlungen ausgerichtet und entsprechend umfassend geführt.

In der Nacht zum 21. Juni hatten schwere Krawalle in Stuttgart bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Hunderte Menschen randalierten damals in der Innenstadt und griffen Polizisten an. Die Einsatzkräfte wurden mit Flaschen und Steinen beworfen, etliche Geschäfte wurden geplündert. Die Polizei machte nach ihren Angaben vom Sonntag 39 Tatverdächtige aus. Gegen 20 Verdächtige sei Haftbefehl erlassen worden, 14 davon seien "in Vollzug".

Grünen-Chef Robert Habeck sagte dem "Tagesspiegel" (Montagsausgabe), es sei "wichtig, die Hintergründe der Gewalttaten von Stuttgart zu ermitteln und aufzuklären". "Wir müssen wissen, wie es dazu kam und wie sich so etwas zukünftig verhindern lässt", fügte Habeck hinzu. "Wenn es jedoch stimmt, dass die Stuttgarter Polizei dafür 'Stammbaumrecherche' betreiben will, wäre das in keinster Weise akzeptabel."

"Schon der Verdacht, dass die Polizei Menschen nach Herkunft oder Aussehen unterschiedlich behandelt, schadet ihrem Ansehen", warnte Habeck. Es sei daher "wichtig, dass die Polizei schnell Klarheit schafft, was gesagt und geplant wurde".

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, übte noch schärfere Kritik. "Stammbaumforschung ist Rassismus pur und ein Skandal, der umgehend gestoppt werden muss", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er forderte zugleich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, "seine Position zur Rassismus-Studie zu korrigieren".

Damit wandte sich Bartsch gegen Seehofers Ablehnung einer Studie zum sogenannten Racial Profiling in der Polizei. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd, der in den USA Opfer von Polizeigewalt wurde, wird auch hierzulande verstärkt über Rassismus bei Sicherheitskräften debattiert.

(kron/AFP)
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