Kommentar zum Fall Käßmann Diese Samstagnacht wird sie begleiten

Düsseldorf (RP). Margot Käßmann, die jetzt in Hannover mit 1,54 Promille Alkohol im Blut von der Polizei gestoppt wurde, ist als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland eine öffentliche Person.

Sie führt sozusagen von Amtswegen eine Doppelexistenz: hier die Privatfrau Käßmann, 51 Jahre alt, Theologin, 2006 an Brustkrebs erkrankt, 2007 nach 26 Jahren Ehe geschieden, vier Töchter; dort die Repräsentantin des knappen Drittels der deutschen Bevölkerung, das sich noch zum Protestantismus bekennt.

Kraft dieses Amtes ist Käßmann zugleich eine moralische Instanz, die über die unerquicklichen Kämpfe und Krämpfe des Politikbetriebs, aber auch der eigenen kleinen Welt hinausweisen soll.

Käßmann selbst hat beide Rollen nicht immer scharf getrennt — in der Amtsträgerin schien immer der Privatmensch durch; bei protestantischen Bischöfen, die der Legitimation des Kirchenvolks bedürfen, ist das wohl auch unvermeidlich.

Sie wird sich deshalb aber auch vorhalten lassen müssen, dass die Alkoholfahrt der Privatperson Käßmann die Amtspflichten der Ratschefin Käßmann und die moralische Glaubwürdigkeit des Vorbilds Käßmann beschädigt hat. Diese Samstagnacht von Hannover wird sie begleiten, solange sie im Amt ist. Das ist so unvermeidlich wie richtig. Bei Vorbildern schaut man schließlich besonders genau hin.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort