Gorleben und der Atommüll Die wichtigsten Fragen zum Castor-Transport

Düsseldorf (RPO). Seit dem Wochenende laufen die Proteste gegen den Castortransport wieder. Seit Jahren protestieren die Anwohner dagegen, dass der Atommüll im niedersächsischen Gorleben zwischengelagert wird. Warum? Wir klären die wichtigsten Begriffe und Fragen.

Nächtliche Castor-Proteste
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Was ist ein Castor? Der Castor ist ein Spezialcontainer für Atommüll. Der Name kommt von einer englischen Abkürzung: "Cask for Storage and Transport of Radioactive Materials", also "Behälter für die Lagerung und den Transport radioaktiven Materials". Im beladenen Zustand wiegt der Behälter aus Eisen und Stahl ungefähr 130 Tonnen. Gedacht ist der Behälter sowohl für den Transport als auch für die Lagerung von Atommüll. Die Behälter müssen extrem widerstandsfähig sein: Sie müssen einen Sturz aus neun Metern Höhe und Brände mit einer Hitze von bis zu 1200 Grad heil überstehen. Laut Herstellerfirma kann ein Absturz eines schnell fliegenden Militärflugzeugs den Behältern nichts anhaben.

Was genau wird in den Castor-Behältern nach Gorleben zurücktransportiert? Die Betreiber der Wiederaufarbeitungsanlagen behalten brauchbare Uran- und Plutonium-Varianten (Isotope). Der Rest des ehemaligen Reaktorbrennstoffs — giftige und extrem strahlende Schwerelemente wie Neptunium, nicht mehr verwendbare Uran- und Plutonium-Isotope und diverse andere hochradioaktive Spaltprodukte — wird in Glas eingeschmolzen und damit transportfähig gemacht.

Wie viele Castoren werden derzeit nach Gorleben gebracht? Insgesamt werden derzeit elf dieser Behälter nach Gorleben gebracht. Der Zug ist ungefähr 600 Meter lang. Er besteht aus elf Waggons für die Castor-Behälter, etwa einem halben Dutzend Personenwagen für begleitende Polizisten und vier Lokomotiven.

Woher kommt der ganze Atommüll? Aus Deutschland. Er wurde vor 2005 in die Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Frankreich gebracht. Dort haben auch deutsche Energieversorger jahrzehntelang abgebrannte Brennelemente aus ihren Reaktoren bearbeitet. Seit 2005 ist die Wiederaufarbeitung deutschen Atommülls aber verboten. Nur noch der Rücktransport des einst angelieferten Materials ist möglich. Und das geschieht gerade.

Warum wird der Atommüll nach Gorleben gebracht? Weil Frankreich nicht auf dem deutschen Müll sitzen bleiben will und er irgendwo zum Abkühlen zwischengelagert werden muss. Dafür gibt es neben Gorleben noch zwei ähnliche Standorte. Seitdem die rot-grüne Bundesregierung die Wiederaufbereitung von Brennelementen 2005 verboten hat, werden die radioaktiven Brennelemente aus den Atomkraftwerken direkt an den Atomkraftwerken gelagert. Diese Lager gibt es mittlerweile an 13 Atomkraftwerken.

Wie viele Castoren lagern schon in Gorleben? Wenn der jetzige Castortransport das Zwischenlager Gorleben erreicht, erhöht die Zahl der Behälter mit hochradioaktivem Müll auf insgesamt 102 Behälter.

Zwischenlager - wo genau stehen die Castoren? Die Castoren stehen in einer 4500 Quadratmeter großen Halle mitten in der niedersächsischen Heide. Dort müssen sie auf eine Innentemperatur von rund 200 Grad abkühlen. Erst wenn die Behälter diese Temperatur erreicht haben, wären sie bereit für die Endlagerung, also die unterirdische Lagerung. Das kann allerdings Jahrzehnte dauern.

Warum protestieren die Menschen bei jedem Castortransport nach Gorleben?Zum einen, weil sie nicht wollen, dass das bei ihnen direkt um die Ecke hochradioaktives Material gelagert wird. Immer wieder haben Experten auf die Unsicherheit des Lagers hingewiesen. Zum anderen weil seit Jahrzehnten geprüft wird, ob in Gorleben ein Endlager gebaut werden soll. Die Bürger im Wendland fürchten, dass mit jedem weiteren Castortransport nach Gorleben die Wahrscheinlichkeit für die Einrichtung eines Endlagers in dem nahen Salzstock wächst.

Wie viele Castor-Transporte nach Gorleben wird es noch geben? Inzwischen ist aus dem französischen La Hague fast aller deutscher Atommüll wieder in Deutschland: Der jetzt erwartete Castor-Transport ist der vorletzte. Der ist für 2011 geplant. Allerdings lagern noch 21 Castoren in der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield. Ab 2014 sollen diese Behälter dann nach Gorleben größtenteils nach Gorleben gebracht und eingelagert werden. Außerdem müssen aus La Hague noch maximal bis zu 170 Castor-Behälter mit mittelradioaktivem Atommüll, etwa den Hüllen der alten Brennstäbe zurückgenommen werden, was bis etwa 2024 dauern soll. Diese Lieferungen sollen aber größtenteils ins nordrhein-westfälische Ahaus gebracht werden.

Wann kommt der Müll in ein Endlager? Rein technisch kann es sein, dass der Müll in 20 bis 30 Jahren genug heruntergekühlt ist, beispielsweise in einem Salzstock zu lagern. Grund für die lange Kühldauer ist die Wärmeentwicklung während des Zerfallsprozesses. Dann hat sich der Müll, der bei Anlieferung rund 400 Grad heiß ist, auf ungefähr 200 Grad abgekühlt. Allerdings gibt es ein solches Lager bisher noch nicht.

Wann soll es denn ein Endlager geben? Das weiß derzeit noch keiner so richtig. Derzeit wird noch erkundet, ob in Gorleben im dortigen Salzstock ein Endlager eingerichtet wird, in dem der Atommüll auf Dauer bleiben könnte. Aber darüber wird seit den 70er Jahren gestritten. Nach Ungereimtheiten, wie die niedersächsische Regierung in den 80er Jahren auf den Standort Gorleben als geeignetsten Salzstock für die Endlagerung gekommen ist, stoppte die rotgrüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2000 die Erkundung Gorlebens. Der jetzige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hob diesen Erkundungsstopp nun auf. Die Vorbereitung dafür laufen. Andere Standorte kommen derzeit für die Erkundung nicht in Frage.

(Mit Agenturen)
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