Baby auf Rastplatz getötet Die Mordkommission sucht Zeugen

Rheinbach · Auf einem Autobahnrastplatz an der A 61 bei Rheinbach nahe Bonn ist ein toter Säugling unter einem Lkw gefunden worden. Die Obduktion ergab, dass der neugeborene Junge umgebracht wurde. Die Suche konzentriert sich nun auf die verschwundene Mutter des toten Säuglings.

 Unter diesem Lkw wurde das tote Kind gefunden. Experten sichern Spuren.

Unter diesem Lkw wurde das tote Kind gefunden. Experten sichern Spuren.

Foto: dpa, Axel Vogel

Es war ein grausiger Fund, den ein rumänischer Lkw-Fahrer am späten Sonntagnachmittag auf dem Rastplatz Peppenhoven-Ost bei Rheinbach an der A 61 machte. Als er gegen 17.30 Uhr seinen Wagen vor der Weiterfahrt ein letztes Mal überprüfen wollte, fand er zwischen den Achsen seines Sattelschleppers einen toten Säugling. Der Lkw-Fahrer informierte sofort die Polizei. Der neugeborene Junge trug, wie ein Polizeisprecher mitteilte, weder Windel noch Kleidung.

 Für LKW-Fahrer und Rettungskräfte kann ein solch grauenhafter Fund ein traumtisches Erlebnis sein.

Für LKW-Fahrer und Rettungskräfte kann ein solch grauenhafter Fund ein traumtisches Erlebnis sein.

Foto: dpa, Axel Vogel

Alle Befragten geschockt

Die Einsatzkräfte riegelten anschließend den am Sonntag mit wartenden Lastwagen vollbesetzten Rastplatz ab und vernahmen zahlreiche Zeugen, darunter einen niederländischer Fernfahrer sowie seinen österreichischen Kollegen. "Alle Befragten zeigten sich geschockt, viele Lkw-Fahrer waren außer sich vor Entsetzen", berichtete ein Sprecher der Polizei Bonn. Eine heiße Spur habe sich aus den Aussagen aber nicht ergeben.

Seit Montag liegt das Obduktionsergebnis vor. "Demnach gehen wir nun zweifelsfrei von einem Tötungsdelikt aus", sagte der Polizeisprecher. Zu den Todesumständen und dem Todeszeitpunkt des kurz nach der Geburt getöteten Säuglings machte die Kripo aus taktischen Gründen noch keine Angaben. Die Suche konzentriere sich jetzt auf die verschwundene Mutter. "Sie ist von elementarer Wichtigkeit", sagte der Polizeisprecher.

Zeugen dringend gesucht

Die Polizei sucht nach einer Frau, die schwanger war, nun aber kein Kind bei sich hat. Ob die Frau auf dem Rastplatz entbunden hat oder ihr Kind nur dort ablegte, ist noch nicht geklärt. Die Mordkommission der Polizei ruft weitere Zeugen, die am Sonntagnachmittag zwischen 14 und 17.45 Uhr auf dem Rastplatz etwas Verdächtiges beobachtet haben, auf, sich zu melden (Telefon 0228 150). Die Bonner Staatsanwältin Karen Esslig sagte: "Wir erhoffen uns durch den Zeugenaufruf einen baldigen Ermittlungserfolg."

Unmittelbar nach dem Fund durchkämmte eine Hundertschaft der Polizei das Gelände rund um den Rastplatz, die angrenzenden Wiesen und die Böschung. Die Suche nach Spuren der Tat wurde am Montag von 20 Polizisten fortgesetzt, jedoch bislang ohne Ergebnis. Zudem registrierte die Polizei am Sonntag alle Kennzeichen der auf dem Rastplatz parkenden Autos. "Allerdings ging es uns nur darum, mögliche Zeugen zu finden", so der Polizeisprecher. Außerdem hat die Polizei von einem Hubschrauber aus alle Fahrzeuge auf der A 61 rund um den Rastplatz gefilmt. Durch die Luftaufnahmen erhoffen sich die Beamten neue Hinweise auf den Täter oder die Täterin.

Fernfahrer fuhr weiter

Auch den beiden Truckern, die seit dem Samstagabend mit ihren Wagen neben dem rumänischen Lkw geparkt hatten, war tagsüber nichts aufgefallen. "Ich stand nur wenige Meter entfernt, ich habe nichts Verdächtiges bemerkt", sagte Jan Olieslaqers aus den Niederlanden gegenüber dem "Bonner Generalanzeiger". Sein Kollege Mario Kronfuß aus Österreich, der am Nachmittag im Lkw nebenan geschlafen hatte, zeigte sich angesichts der Tat fassungslos: "Wer macht so etwas?"

Der Lkw-Fahrer, der die Leiche gefunden hatte, setzte noch am Abend seine Tour fort, nachdem er seine Zeugenaussage gemacht hatte. "Er fühlte sich in der Lage dazu weiterzufahren", sagte der Polizeisprecher. Fernfahrer sind wie Lokführer des öfteren Situationen ausgesetzt, die seelisch sehr belastend sein können. "Ein solcher Fall wie der in Rheinbach ist mir allerdings bisher nicht bekannt", sagte der Sprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Martin Bulheller. "Die Polizei vor Ort hätte den Lkw-Fahrer jedoch nie weiterfahren lassen, wenn sie Zweifel an seiner Fahrtüchtigkeit gehabt hätte."

Traumatische Erfahrung

Dass jeder Betroffene anders mit einer solch seelisch belastenden Situation umgeht, weiß auch Wolfgang Lenz, Leiter der Rettungsdienstes beim Deutschen Roten Kreuz in Bonn. "Es gibt Menschen, die können sich danach nicht mehr vorstellen weiterzuarbeiten. Andere verarbeiten das Erlebte schneller. Wieder andere wollen nicht wahrhaben, dass sie einen Schock haben. Sie müssen dann erst zwangsbeurlaubt werden", sagt Lenz.

Gerade wer unter Termin- oder Zeitdruck steht, merke es häufig erst später, dass ihn ein Ereignis stärker belastet als zunächst gedacht. "Einen Mitarbeiter freizustellen, obliegt dann der Fürsorgeverpflichtung des Arbeitgebers", meint Lenz. "Fest steht: Es ist für jeden schlimm, selbst für Rettungssanitäter, so etwas zu erleben."

(RP/pst/das)
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