Nach Thomas Drachs Entlassung Die Jagd auf das Reemtsma-Lösegeld geht weiter

Hamburg · Nach mehr als 15 Jahren wird Reemtsma-Entführer Drach aus dem Gefängnis entlassen. Ob er sich jetzt auf die Suche nach dem Rest des noch immer verschollenen Lösegeldes in Millionenhöhe macht? Das interessiert nicht nur die Ermittler.

Chronologie des Entführungsfalls Reemtsma
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Foto: dpa, Christian Charisius

In der Dunkelheit, morgens um halb sieben, öffnet sich für Reemtsma-Entführer Thomas Drach nach mehr als 15 Jahren das Tor in die Freiheit. Sein Anwalt holt ihn mit dem Auto aus dem Hamburger Gefängnis Fuhlsbüttel ab. Doch mit Drachs Entlassung am Montag ist die Geschichte um Verbrechen, Gier und Geld noch nicht zu Ende.

Von dem Lösegeld von umgerechnet rund 15 Millionen Euro, das er und seine Komplizen 1996 von der Familie des entführten Unternehmenserben Jan Philipp Reemtsma erpressten, sollen noch mindestens 8 Millionen Schweizer Franken (6,5 Millionen Euro) vorhanden sein. Dafür interessieren sich staatliche Ermittler, Privatdetektive im Auftrag des Opfers - und vermutlich Kriminelle.

Der notorische Schwerverbrecher Drach gilt in Polizei- und Sicherheitskreisen auch weiterhin als brandgefährlich. Fast die Hälfte seines Lebens hat er im Gefängnis verbracht und alle Angebote zur Resozialisierung ausgeschlagen. Stattdessen kultivierte er in der Öffentlichkeit immer wieder die Pose des Gesetzlosen.

"Das haben Sie in 15 Jahren nicht erfahren, und das werden Sie auch heute nicht erfahren", sagte er zum Beispiel 2011, als er wegen Drohungen gegen seinen Bruder nochmals vor Gericht stand und nach dem Lösegeld gefragt wurde. Die Brüder sind verfeindet. "Ich traue der Ratte nicht", schrieb Thomas Drach einst in einem Brief. "Der soll auf keinen Fall noch mal auf meine Kosten leben."

"Solche Verbrechen sollten keine Erfolge sein"

Nach Einschätzung der Ermittler ist Drach der Meinung, das Lösegeld stehe ihm durch die lange Haft quasi zu. "Es ist ein störender Gedanke, dass er möglicherweise von dem Geld, was er auf die Seite gebracht hatte, sich ein gutes Leben machen kann", sagte sein Opfer Reemtsma vor einigen Tagen im Radiosender NDR Info. "Solche Verbrechen sollten keine Erfolge sein."

Der heute 60-jährige Sozialforscher und Autor hat bei der Suche nach dem Geld eine private Sicherheitsfirma eingeschaltet, weiß aber auch nicht, ob noch etwas da ist. "Er hat ja irgendwelche Kumpane, die möglicherweise das Geld längst durchgebracht haben."

Reemtsma hofft, dass sein Entführer auch nach dem Gefängnis kein schönes Leben führen kann. "So sicher lebt er ja nicht mit dem Wissen anderer Leute, dass er über viel Geld verfügt." Dieter Langendörfer, der ehemalige Leiter der Kripo-Sonderkommission, die Drach in den 90er Jahren verfolgte, sieht das ähnlich.

"Dass neben dieser privaten Sicherheitsfirma auch andere hinter dem Geld her sein werden, also Kriminelle, das kann ich mir gut vorstellen", sagte Langendörfer dem NDR. "Ich denke, dass von dieser Gesellschaft von Kriminellen, die ihn eventuell fragen, wo das Geld ist, eine wesentlich größere Gefahr ausgeht als von anderen, weil die weder an Recht noch an Gesetz gebunden sind."

Drach selbst ist schon lange polizeibekannt. Mit 13 Jahren knackte er Autos, hatte in der Jugend Kontakt zu Drogen und kassierte mit 18 seine erste Gefängnisstrafe. Gutachter beschreiben Drach als durchaus intelligent, aber unreif und uneinsichtig in das von ihm begangene Verbrechen. Er nehme keine Rücksicht auf andere, sei auf einen "gehobenen Lebensstil" fixiert und trachte einzig nach einem Leben in Saus und Braus.

Vor Gericht präsentiert Drach sich aufbrausend und aggressiv. Er scheut nicht davor zurück, Justizbeamte zu bedrohen. In einem Gutachten hieß es noch vor zwei Jahren: "Es ist davon auszugehen, dass er in Freiheit weitere schwere Straftaten begehen wird."

(dpa)
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