Deutschland gegen die Niederlande Terror: Länderspiel in Hannover abgesagt

Hannover/Paris/Brüssel · Das Treffen gegen die Niederlande sollte ein Symbol gegen den IS-Terror werden. Anderthalb Stunden vor dem Anpfiff sagten die Behörden das Spiel ab. Wegen der Anschläge in Paris bittet Frankreich um Militärbeistand der EU.

Reaktionen zur Länderspiel-Absage in Hannover
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Foto: afp, EJ

Aus Angst vor einem Terrorangriff ist das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande gestern Abend in Hannover anderthalb Stunden vor Anpfiff abgesagt worden. "Es war beabsichtigt, einen Sprengsatz im Stadion zu zünden", sagte Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe. "Der entscheidende Hinweis hat uns circa 15 Minuten nach Öffnung der Tore erreicht."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) begründete die Absage mit dem Schutz der Bevölkerung. Hinweise auf eine Gefährdung des Spiels hätten sich so verdichtet, dass er die Absage empfohlen habe, sagte de Maizière. "In einer solchen schwierigen Lage hat im Zweifel der Schutz der Menschen Vorrang", sagte er. Nachfragen zu den Hinweisen, die nach Informationen aus Berliner Sicherheitskreisen von einem ausländischen Geheimdienst stammten, wollte er aber nicht beantworten. "Ein Teil dieser Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern", begründete de Maizière. "Es fühlt sich an wie eine Niederlage, aber die Sicherheit der Zuschauer und Spieler geht natürlich vor", sagte die niederländische Sportministerin Edith Schippers.

Hannover: Stadion wird wegen Gefährdungslage evakuiert
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Stadion in Hannover evakuiert

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Das Freundschaftsspiel stand wegen der Pariser Terroranschläge vom Freitag unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen, hatte aber als Zeichen gegen den Terror stattfinden sollen. Zum Zeitpunkt der Absage gegen 19.15 Uhr waren kaum Zuschauer im Stadion. Sie wurden per Lautsprecher aufgefordert, den Stadionbereich zu verlassen. Schwer bewaffnete Polizeibeamte zogen auf. Zahlreiche Spitzenpolitiker hatten das Spiel besuchen wollen, darunter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD). Sie waren aber ebenso wie die deutsche Mannschaft aber noch nicht eingetroffen.

Frankreich bat unterdessen als erster EU-Staat offiziell um Beistand der übrigen Mitgliedstaaten. Es gehe dabei in erster Linie um militärische Unterstützung für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak, erklärte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian gestern in Brüssel. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, die EU habe dazu "einstimmig ihre Bereitschaft erklärt". Frankreich berief sich bei seiner Bitte auf Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags, der die Partnerstaaten bei einem Angriff auf das Hoheitsgebiet eines Mitglieds zur Unterstützung verpflichtet.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte zu der französischen Bitte um EU-Beistand, ihre Regierung werde aufmerksam analysieren, worum es geht. "Selbstverständlich ist, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Hilfe und Unterstützung zu leisten." Verteidigungsminister Le Drian erklärte, es gehe entweder um eine direkte Unterstützung in Syrien und im Irak oder um eine Entlastung französischer Streitkräfte in anderen Krisenregionen, etwa in Afrika.

Zehn französische Kampfjets griffen am Morgen erneut den IS in Syrien an. In Frankreich gab es nachts weitere Razzien in 128 Wohnungen. Landesweit sind nach Regierungsangaben 115.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz. Die Behörden fahndeten nach weiteren Komplizen der sieben getöteten Angreifer von Paris. Premier Manuel Valls sagte, Frankreich könne "jederzeit weitere Angriffe erleiden." Die Pariser Polizei stellte ein Auto sicher, das möglicherweise bei der Vorbereitung der Anschläge genutzt wurde. Der schwarze Renault Clio hatte eine belgische Zulassung. Die belgische Polizei veröffentlichte ein neues Fahndungsfoto des Terrorverdächtigen Salah Abdeslam. Der 26-Jährige war nach Informationen des Innenministeriums in Wien am 9. September aus Deutschland kommend mit zwei Begleitern nach Österreich eingereist.

US-Außenminister John Kerry kündigte nach einem Treffen mit Präsident François Hollande in Paris, sein Land werde die Angriffe auf die Terrormiliz IS verstärken. Hollande selbst will eine Allianz der Weltmächte gegen den IS schmieden. Er hatte am Montag angekündigt, den UN-Sicherheitsrat anzurufen. Kommende Woche will er mit US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Wladimir Putin über eine Strategie sprechen. Putin befahl seinen Militärs gestern bereits, die französischen Streitkräfte in der Region sollten ab sofort "wie Verbündete" behandelt werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält eine Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr im Innern als Konsequenz aus den Anschlägen in Paris für nachdenkenswert. "Wenn wir eine Situation hätten wie Paris, möglicherweise mit Anschlägen an drei bis vier Orten, wird man darüber nachdenken müssen, ob unsere polizeilichen Fähigkeiten ausreichen", sagte Schäuble auf einer Veranstaltung in Düsseldorf.

Bei einer breit angelegten Fahndung im Grenzgebiet nahe Aachen ist der deutschen Polizei nicht wie erhofft einer der Hauptverdächtigen der Pariser Terrorserie ins Netz gegangen. "Leider ist es wohl nicht der, auf den wir alle gehofft hatten, dass er es sein könnte", sagte Bundesinnenminister de Maizière. Die Festgenommenen sind am Abend wieder freigelassen worden. Schon in der Nacht zu Samstag hatte die Polizei einen 39-jährigen Algerier in einem Arnsberger Flüchtlingsheim festgenommen.

(RP)
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